Ich finde auch solche Diskriminierungen unerträglich. Neulich über Phillis Wheatley Unsägliches gelesen.
Phillis Wheatley (um 1753 geboren) wurde in Afrika von Sklavenhändlern (schwarzen? weißen?) gefangen, in die USA gebracht. Dort stand das kleine Mädchen im Juli 1761 abgemagert und kränklich am Kai zum Verkauf herum. Ein Mann kaufte sie für seine Frau. So kam Phillis – ihr hatte man den Namen des Sklavenschiffs gegeben, das sie in die USA brachte – in die Familie Wheatley. Sie war sehr klug. Sie lernte schnell. Ihr wurde auch lesen und schreiben beigebracht, sie las auch Klassiker, sie hat anhand der Diskussionen im Hause der Wheatleys sehr viel an Konversation und Auftreten gelernt.
Sie schrieb Gedichte. Ihr erstes Gedicht wurde 1767 veröffentlicht, ihr Gedichtband wurde 1773/4 veröffentlicht – die ersten veröffentlichten Gedichte einer Afrikanerin in den USA. (Der afroamerikanische Sklave, Prediger und kaufmännische Angestellte Jupiter Hammon hat das erste Gedicht 1761 veröffentlicht: An Evening Thought. Salvation By Christ, With Penetential Cries. Er hat übrigens auch ein Gedicht geschrieben, das er an Phillis Wheatley geschickt hat: „Oh Come you pious youth! adore / The wisdom of thy God…“.) Sie galt als Beispiel dafür, dass auch Afrikaner denken und schreiben können (Voltaire), wurde angefeindet von Rassisten bzw. Ambivalenten (Jefferson). Ihre Gedichte spiegeln eine tiefe christliche Frömmigkeit wider – getauft wurde sie 1771.
Und gegenwärtig? Gegenwärtig degradierten sie manche. Sie hat zu weiß gedichtet, so der Vorwurf (s. z.B. der Hinweis auf Wikipedia: Rezeption). Sie war zwar schwarz und kam aus Afrika, aber ihre Gesinnung war zu weiß. Wie auch immer ihre Gedichte zu interpretieren sind: Ist ein solcher Vorwurf nicht übel? Ist das nicht eine unerträgliche Degradierung der Lebensleistung dieser Frau? Wer hat ein Interesse daran, dermaßen empathielos zu agitieren? Inzwischen hat sie zu Recht manche Fürsprecherinnen und Fürsprecher. Ich kann natürlich verstehen, dass Kritikerinnen und Kritiker es unerträglich finden, dass sie froh ist, im Land, das sie versklavt hat, den christlichen Glauben zu finden. Aber muss man das nicht stehen lassen können, weil es eben ihre persönliche Erfahrung widerspiegelt? Weil der christliche Glaube ihr Erklärungen bot, die ihr sonst niemand gegeben hat? Warum kämpft man gegen Individualität an – doch nur aus ideologischen Gründen. Nur Ideologen verachten Individuen. „Dein ungläubiges Herz wird in Verhärtung wachsen“.
Wie ging es mit ihr weiter? Sie wurde von britischen Antisklaverei-Aktivistinnen und Aktivisten unterstützt. Das hieß in der damaligen Zeit in den USA auf der falschen Seite zu stehen, also probritisch in einer Zeit, in der man sich von den Briten lösen wollte. Sie konnte bald nichts mehr veröffentlichen, schlug sich als Freigelassene durchs Leben, unter anderem als Kellnerin. Selbst Equiano meinte, dass Sklaverei schlimm sei – aber auch frei gelassen ist man nur auf dem Papier. Sie heiratete (und nahm den Namen ihres Mannes an: Phillis Peters), bekam drei Kinder, die früh starben, sie selbst starb bei der Geburt des 3. Kindes 1784.
Am Rande: Spannend finde ich, wie sie die antiken Gottheiten mit dem christlichen Glauben verbindet. Sie weisen (so in einem zu ihrer Zeit unveröffentlichten Gedicht) auf Gott hin.