Lou Andreas-Salomé (1861-1937)

Lou Andreas-Salomé (1861-1937)

Sie war eine sehr eigenständige Frau, die auch recht souverän mit Geistesgrößen ihrer Zeit umging (z.B. Nietzsche und Rilke). In der Kindheit und Jugend hat sie sehr intensiv an Gott geglaubt. Den Glauben wie das Abrücken von ihrem Kinderglauben hat sie intensiv reflektiert. Sie selbst war nicht unbedingt an einer sexuellen Partnerschaft interessiert, was manche Männer, so Nietzsche, durcheinanderbrachte. Ebenso brachte das einen Pfarrer durcheinander, der das religiös-philosophische Interesse seiner Schülerin mit einem Wunsch nach Ehe verwechselte. Männer verhielten sich in ihrem Umfeld nicht gerade vorbildlich. Aber sie blieb sie selbst. Sie beschäftigte sich auch sehr intensiv mit der Psychoanalyse, angeregt durch Freud. Sie wird im Kontext meiner Darstellung bei Rilke noch einmal eine wesentliche Rolle spielen.

Soweit ich sehe, waren Gedichte nicht ihre bevorzugte Form, über sich, das Leben und Gott zu sprechen. In dem Gedicht „Durch Dich“ (reflektiert sie die Jugend/das Verhältnis zum Pfarrer?): Ihre Leidenschaft im Glauben wird geschildert, dass sie „Im Gott das Menschenbild erkannt“ – sie hat Gott geschaut – und begraben https://gedichte.xbib.de/Andreas-Salome%2C+Lou_gedicht_Durch+Dich.htm .

In ihrem Buch „Im Kampf um Gott“ (1885) sind zwei interessante Texte zu finden. In dem Gedicht „Es war ein Gott“ beschreibt sie, wie Götterbilder zerbrochen sind, aber die Begeisterung für den Glauben solle man sich erhalten. Sie interpretiert Glauben im Sinne Feuerbachs, dass der Mensch sich einen Gott erschaffen hat – in diesem Gott, so Lou Andreas-Salomé, wird das erschaffen, was dem Menschen besonders wichtig ist, und das sei anbetungswürdig. In dem Gedicht: „Lebensgebet“ werden Gott und Leben eins. Das Leben wird angesprochen, es wird als Person interpretiert, die ihr vieles gegeben hat, es kann umfasst werden bzw. schließt sie mit beiden Armen ein. Wie sie im „Lebensrückblick“ (1954 aus dem Nachlass) schreibt, ist Ehrfurcht ihr zentrales Thema, somit, um es mit Blick auf das oben genannte Gedicht zu formulieren: ihr Gott: „Daß etwas >ist<, trägt jedesmal die Wucht aller Existenz in sich, als sei es alles. Ist Inbrunst der Zugehörigkeit denkbar, ohne daß Ehrfurcht ihr innewohnt – und wär´s im uns unsichtbarsten, unerkanntesten Urboden unserer Regungen?“ In diesem Band finden wir auch ein Gedicht, das sie in ihrer Kindheit geschrieben haben mag, das ihr jedoch als Erwachsene fremd war: es handelt sich um ein Gebet an Gott, er möge ihr den Weg zeigen, ihn wieder zu finden: „Ich will nur eins: nur Raum – nur Raum, / Um unter Dir zu knieen.“ Darüber denkt sie dann im weiteren Kontext nach. Und diesen Raum, den sie sich erbat, also den Raum der Freiheit, den hat sie in ihrem Leben bekommen, allerdings das Knien vor Gott – soweit erkennbar – dann nicht mehr realisiert. Ebenso in „Todesbitte“ – hier verschwimmt nicht Gott mit dem Leben, sondern Gott mit einem menschlichen Du: Sie bittet, dass, wenn sie gestorben ist, die angesprochene Person ihr noch einmal übers Haar streichen möge, ihr einen Kuss geben möge. Sie schließt: „Doch denke auch: im fremden Sarg / Steck ich ja nur zum Schein / Weil sich in Dir mein Leben barg! / Und ganz bin ich nun Dein.“ Auch das war ihr dann im Erwachsenenleben fremd. (Zum Thema Leben s. auch: Anna Sophie / Sophia, Landgräfin von Hessen-Darmstadt 17. Jh.)