John Keble (1792-1866)

John Keble (1792-1866)

Wurde von seinem Vater unterrichtet, bevor er nach Oxford ging und hervorragende Leistungen brachte. Er wurde Professor für Poesie und war Pfarrer. Er versuchte die anglikanische Kirche zum Glauben hin zu reformieren und gründete unter anderem mit dem späteren Kardinal John Henry Newman, der heiliggesprochen wurde, die Oxford-Bewegung. Der Staat versuchte immer stärker sich in kirchliche Belange einzumischen und gemeinsam mit Teilen des Volkes gegen die Kirche zu agitieren. Dagegen hielt er eine berühmte Rede: „National Apostasy“ (1833). Die Basis des Protestes war eine ernsthafte theologische Frömmigkeit, zu der auch die intensive Beschäftigung mit den Kirchenvätern gehörte. Angesichts der Zeit, die antichristlich handelt, rät er unter anderem: zu beten, das Seine in Frömmigkeit, Nächstenliebe, Reinheit und Gerechtigkeit zu tun, sich nicht allein auf das Bedrohliche zu konzentrieren, sondern eben auf das Handeln im Willen Gottes (http://anglicanhistory.org/keble/keble1.html). Die Sicht wurde über Traktate verteilt. (Es sei angemerkt, dass sich auch John Newton und Wilberforce, die sich maßgeblich gegen die Sklaverei eingesetzt haben, gegen ein verknöchertes Staatskirchentum wandten, das Gott und die soziale Arbeit vergisst. Wilberforce liebte die Gedichte von Keble.) Als John Henry Newman und andere zur katholischen Kirche konvertierten, musste die Oxford-Bewegung turbulente Zeiten überstehen. Gemeinsam mit dem christlich sozial sehr engagierten Edward Bouverie Pusey verhinderte Keble, dass die Bewegung verebbte. Von dieser war unter anderem auch Christina Rossetti beeinflusst. Er hat manches Gedicht-Liederbuch veröffentlicht (auch eines für Kinder) und hat in seinem zahlreich aufgelegten Band „Das christliche Jahr“ (1827) zu jedem Sonn- und Feiertag ein Gedicht veröffentlicht. Diese Gebete/Gedichte begleiteten mit dem altbekannten „Book of Common Prayer“ (von Thomas Cranmer 1547) das Leben vieler Christen.

Die Gedichte sind hier zu finden: https://mypoeticside.com/poets/john-keble-poems bzw. hier: https://allpoetry.com/John-Keble und https://archive.org/details/christianyearkj00kebl/page/n41/mode/2up?view=theater Interessant auch die Lyra Apostolica: https://archive.org/details/a677328200newmuoft/page/n5/mode/2up?view=theater In diesem sollen auch Gedichte von Newman und anderen sein – aber die Gedichte wurden nicht namentlich gekennzeichnet. Wie wiederholt geschrieben: Die Übersetzungen sind von mir, es sind Arbeitsübertragungen.

Einige Texte wurden vertont, vielfach gesungen und inspirierten andere Dichter:

Wer kennt nicht das Lied von Henry Francis Lyte: „Abide with me“, das er kurz vor seinem Tod 1847 gedichtet hat? Gut, dass damals das Copyright nicht relevant war, dann hätte Keble Lyte wohl von Anwälten abmahnen lassen können. (Das zeigt die ganze Absurdität unserer Zeit: Es ist Teil der fortschreitenden geistigen Menschheitsentwicklung, miteinander zu kommunizieren, Gedanken, Formulierungen aufzugreifen, weiter zu führen. Diese Fähigkeit wird heute massiv eingeschränkt – lässt sich aber letztlich nicht verhindern. Gott sei Dank.):

Zur Biographie: https://www.christianstudylibrary.org/article/morning-and-evening-%E2%80%93-hymns-john-keble

Nur ein paar Gedichte seien exemplarisch aufgegriffen: In „Dedication“ lautet es am Schluss – und zeigt seine Bescheidenheit: „Ich wage nicht zu hoffen, dass Davids Harfe den bösen Geist aus der gequälten Brust vertreibt, es reicht mir, wenn ich die Gnade finde, den Klängen zu lauschen und zur Ruhe zu kommen.“

Im Morgengebet fragt er: „Warum verschwendet ihr eure Schätze der Freude / an unserem undankbaren, freudlosen Bild, / das Tag für Tag zur Sünde erwacht, / selten am Himmel und dir teilhat?“ Menschen sollen nicht an dem Vergangenen festkleben, sie sollen den neuen Tag nicht mit dem Alten belasten. Und so heißt es ein paar Zeilen weiter: „Neue Barmherzigkeiten an jedem neuen Tag, / schwebt um uns herum, während wir beten; / neue Gefahren sind vorüber, neue Sünden vergeben, / neue Gedanken an Gott, neue Hoffnungen auf den Himmel.“ Alles Tun ist – ganz im Sinne Luthers – wichtig; was Menschen von Gott zu tun aufgetragen bekommen, seien es die alltäglichsten Aufgaben, sie sollen geheiligt werden, sind Schätze von unermesslichem Wert, die Gott zum Opfer dargebracht werden. Wichtig ist ihm in diesem Gebet darum: Der Tag möge den Beter durch das, was er tut und denkt, Gott näher bringen.

Im Abendgebet bittet er: „Komm uns nahe, wenn wir erwachen, segne uns, / bevor wir den Lebensweg (den neuen Weg durch die Welt) beginnen / Bis wir im Meer Deiner Liebe / uns selbst verlieren, oben im Himmel.“

Das 1. Adventsgedicht ruft dazu auf zu erwachen. Aber die Menge schreit: Kreuzige ihn. Und dann nennt er einige, die Jesus folgten: Bartimäus, Lazarus, Martha, Maria. Glaubende halten ihr Herz bis zum Morgengrauen – bis zum Erscheinen Gottes und der neuen Gotteswelt wach, während die alte Welt zur Beerdigung getragen (borne: geboren?) wird.

Und so bekommt jeder Adventssonntag sein Gebets-Gedicht. Ebenso auch der Stephanustag, an dem des ersten Märtyrers gedacht wird. Obgleich Stephanus auf der Erde lebt, gleitet er durch die Lüfte wie eine sanfte Taube, atmet die Luft des Himmels, weil er die Herrlichkeit Gottes sieht. Darum kann er standhalten, als sie ihn töten. Er hat nicht die Kraft aus sich selbst, er hat sie durch sein Leben, das mit Gott in Verbindung steht, aus Gott heraus lebt. Und so ist es auch das alltägliche Leben, wie er in dem Morgengedicht ausspricht, das aus Gott heraus gelebt werden kann.

In seinem Pfingstgedicht („Whitsunday“) schreibt er, dass Gott auf dem Sinai mit Zornesfeuer und Sturm  auf die Menschen herabkam. Als er Pfingsten herabkommt, kommt er mit Liebe und Macht, seine heilige Taube – der Geist Gottes – schwebte auf die Häupter seiner Herde. Warnend aber auch diese Macht, sie hallt in manchen Herzen wider, manche lassen ihm jedoch keinen Raum. Der Text endet mit dem Gebet: „Komm, Herr, komm Weisheit, Liebe und Macht, /Öffne unsere Ohren, damit wir hören: / Lass uns nicht verpassen die gegebene Stunde, / Rette, Herr, durch Liebe und Furcht.“

Zu Weihnachten schreibt er, Lieder flammen auf, breiten sich aus über die Weiten des Himmels, Lichtwellen schwingen, sind erregt… sanfte Luft bewegt die Flut des Liedes… In einer der Strophen heißt es: „Aber wo Du wohnst, Herr, / sollte kein anderer Gedanke herrschen, / Einmal willkommen geheißen und angebetet, / Wie sollte ich mich von Dir trennen? / Bethlehem wird Dich schnell verlieren, aber Du wirst gnädig sein / Und ein Herz wird Dein sicherer Bleibe-Ort sein.“ Und wie die Hirten werden wir unermüdlich die Hirtenwege gehen und in Dunkelheit Lob singen.

Die erste Strophe sei englisch zitiert:

What sudden blaze of song
Spreads o’er th‘ expanse of Heaven?
In waves of light it thrills along,
Th‘ angelic signal given –
„Glory to God!“ from yonder central fire
Flows out the echoing lay beyond the starry choir;

Oder zur Auferstehung sing er in seiner letzten Strophe: „Es ist noch immer so: zu heiligen Tränen / in einsamen Stunden, Christus auferstanden erscheint: / In menschlichen Stunden, wer Christus sehen möchte, / muss alle Aufgaben der Barmherzigkeit zuwenden.“

Und so geht er Sonntag für Sonntag, Feiertag für Feiertag das Kirchenjahr durch. Manche Texte betreffen christliche Handlungen, so zum Beispiel auch Konfirmation, Ordination, zum Umgang mit Kranken oder bei der Grablegung, auf See und zur Mutterschaft. Mit tiefen Gedanken manchmal, manchmal sehr einfach. Manche sind stark von dem Kommen Christi geprägt, Natur wird geschildert, er ermutigt in einer grandiosen Fülle zu einem Leben aus dem Glauben heraus, mit zahlreichen biblischen Anspielungen, Aufnahmen christlicher Traditionen, er mahnt und tröstet. Die Fülle kann an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden. Sie kann selbst erschlossen werden.