Alfred Lord Tennyson (1809-1892)

Alfred Lord Tennyson (1809-1892)

Sohn eines Pfarrers, hatte 11 Geschwister. Seine Mutter beschrieb er: „Süße Lippen, auf denen ewig herrschte / Die Sommerruhe goldener Nächstenliebe“ (zitiert nach Chesterton / Garnett: http://gutenberg.net.au/ebooks13/1300301h.html ) Ein in seiner Zeit sehr einflussreicher Schriftsteller, da er auch von dem Königshaus (Victorianische Zeit) intensiv unterstützt wurde. Er hat viele Gedichte mit Blick auf das Altertum geschrieben, romantisierend. Er war Architektur- und Naturdichter, der die Natur überwiegend als romantisierte Natur beschrieb, nicht als Teil der Schöpfung, nicht religiös, obgleich er pantheistisch eingestellt war. Chesterton meinte, sinngemäß: Wie Genesis 1 das Nichts/Chaos durch den Schöpfungsakt Gottes verschwand, verschwand bei Tennyson Gott, indem er ihn mit der Schöpfung füllte. Mit romantisierter Natur meine ich, dass die Natur nicht Natur war, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht, der idealisierend die Schönheit der Natur beschreibt.

Nachdem er in https://en.wikisource.org/wiki/Idylls_of_the_King/The_Passing_of_Arthur die Welt beklagt, die schön und gleichzeitig durch die Menschen übel ist, und sich wünscht, dass ein höherer Gott diese erste Welt vollkommen macht, sagt König Arthur: Mein Gott, du hast mich in meinem Tod vergessen; / Nein – Gott, mein Christus – ich gehe, aber ich werde nicht sterben.‘

Nach einem dramatischen Hin und her, heißt es kurz vor dem Tod von König Arthur:

Und Arthur antwortete langsam von dem Boot des Sterbens aus:
‚Die alte Ordnung ändert sich und macht der neuen Platz,
und Gott erfüllt sich in vielerlei Hinsicht,
damit nicht eine gute Sitte die Welt verdirbt.
Tröste dich selbst: Welcher Trost ist in mir?
Ich habe mein Leben gelebt, und was ich getan habe,
möge Gott in sich selbst rein machen! Aber du,
wenn du mein Angesicht nie wieder sehen solltest,
bete für meine Seele. Durch Gebet werden mehr Dinge bewirkt,
als diese Welt sich erträumt. Darum lass deine Stimme
für mich Tag und Nacht wie eine Quelle aufsteigen.
Denn sind die Menschen besser als Schafe oder Ziegen,
die von einem blinden Leben im Gehirn bestimmt werden,
wenn sie, Gott kennend, nicht die Hände des Gebets erheben,
sowohl für sich selbst als auch für diejenigen, die sie Freunde nennen?
Denn so ist das ganze Erdenrund von allen Seiten
durch goldene Ketten um die Füße Gottes gebunden.

Er war wohl Kirchen- und Christenkritisch. Im Alter soll er zum Pantheismus hingeneigt haben. So heißt es in „Der höhere Pantheismus“ https://en.wikisource.org/wiki/The_Higher_Pantheism:

Die Sonne, der Mond, die Sterne, die Meere, die Berge und die Täler –
sind dies nicht, o Seele, die Vision von Dem, der regiert?
Ist Er nicht die Vision? Ist Er nicht das, was Er zu sein scheint?
Träume sind wahr, solange sie andauern, und leben wir nicht in Träumen?
Erde, diese ewigen Sterne, diese Bedeutung von Körper und Gliedmaßen,
sind sie nicht Zeichen und Symbol deiner Trennung von Ihm?
Dunkel ist dir die Welt: du selbst bist der Grund dafür;
Denn ist Er nicht der Grund, der die Macht hat, „Ich bin ich“ zu fühlen?
Ruhm um dich, ohne dich; du erfüllst dein Schicksal,
indem du Ihn deinen Glanz zerstören und Pracht und Düsternis ersticken lässt.
Sprich zu Ihm, denn Er hört, und Geist kann sich mit Geist treffen –
Er ist näher als der Atem und näher als Hände und Füße.
Gott ist Gesetz, sagen die Weisen; O Seele, und lasst uns frohlocken,
denn wenn Er mit dem Gesetz donnert, ist der Donner doch Seine Stimme.
Das Gesetz ist Gott, sagen einige: es gibt keinen Gott, sagt der Narr;
Denn alles, was wir sehen können, ist ein gerader Stab, in einem Pool;
Und das Ohr des Menschen kann nicht hören und das Auge des Menschen kann nicht sehen;
Aber wenn wir sehen und hören könnten diese Vision – war er es nicht?

Während im Sterben Arthur ausspricht, was der Philosoph Hegel philosophierte, dass Gott erst durch die Geschichte zu sich selbst kommt (sehr knapp gesagt: ständige Bewegung von These – Antithese – Synthese bis letztlich die Geschichte in der Synthese Gottes endet), wird in diesem Gedicht Gott als eine Vision bezeichnet – aber als eine Vision, die Wirklichkeit ist – und zwar für den, der sie hat. (Er nimmt Bezug auf den 1. Korintherbrief 1 und 2 des Paulus: Was Menschen nicht wahrnehmen, nimmt der Glaube wahr.) Gleichzeitig wird aber in beiden Texten deutlich gesagt, dass Gott ist, ein Narr, der sagt, es ist kein Gott – aber das wird immer schwebend ausgesprochen.

In dem folgenden Gedicht mit Blick auf den Tod ist nicht tröstend vom Glauben die Rede, anders als im Arthur-Text, in dem es darum geht, für die Seele zu beten, Gott möge ihn von Sünden reinigen – für ihn selbst:

Komm nicht, wenn ich tot bin https://en.wikisource.org/wiki/Come_not,_when_I_am_dead

Komm nicht, wenn ich tot bin,
Um deine törichten Tränen auf mein Grab zu tropfen,
Um mein gefallenes Haupt zu zertrampeln
Und den unglücklichen Staub zu ärgern, den du nicht retten würdest.
Dort lass den Wind fegen und den Regenpfeifer schreien;
         Aber du, geh vorbei.

Kind, ob es dein Irrtum oder dein Verbrechen wäre,
Ich kümmere mich nicht mehr darum, da ich ganz ungesegnet bin:
Vermähle dich mit wem du willst, aber ich habe die Zeit satt,
Und ich möchte ruhen.          
Geh weiter, schwaches Herz, und lass mich, wo ich liege:
        Geh vorbei, geh vorbei.

In dem spannenden Gedicht Palast der Kunst https://en.wikisource.org/wiki/The_Palace_of_Art hat er 1890 seinen eigenen Glauben ausgesprochen gefühlt, so Garnett. In diesem Gedicht schildert er, ausgehend von einem Satz aus einem Gleichnis Jesu (in der ein erfolgreicher Landwirt seine Seele erhebt), dass seine eigene Seele sich ein wundervolles Haus gebaut hat, in dem wurde alles dargestellt, was das menschliche Herz begehrt, samt der menschlichen Götter. Doch dann – während im Gleichnis Jesu der Mensch stirbt – wird in dem Gedicht die Seele (ganz modern) zu Boden gestoßen: Alles zerrinnt ihr, denn Gott plagt sie mit Verzweiflung, Depressionen, Selbstverachtung. Daraufhin wirft die Seele ihren Stolz weg, will nur noch in einem kleinen Häuschen leben, „in dem sie trauern und beten kann“. In der letzten Strophe wird die Zerrissenheit des Menschen deutlich: „Aber reiße nicht meinen Palast ein“, sagt die Seele, denn sie hofft, dahin zurückkehren zu können, wenn die Schuld getilgt ist.