Jules Laforgue (1860-1887)

Jules Laforgue (1860-1887)

Er kannte kaum seine Mutter, die bei der Geburt des 12. Kindes starb. Er war Vorleser der Kaiserin Augusta, reiste mit dem Hof viel herum, beschäftigte sich intensiv mit englischsprachiger und französischer Dichtung. Seine eigenen Gedichte zeigen einen sehr pessimistischen Schriftsteller, der von Schopenhauer beeinflusst gewesen sein soll. Nachdem er die Engländerin Leah Lee kennengelernt hatte, verließ er 1886 den Hof, sie heirateten und lebten in großer Armut. Er starb mit ca. 27 Jahren an Tuberkulose, seine Frau daran ein Jahr später. Seine Gedichte haben angelsächsische Literatur geprägt.

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Er hat eine intensive religiöse Sprache: Glocken kommen vor, Messen, Sonntage, die Anrede: Herr, Schutzengel, Amen, Prophezeiungen, Lied steigt in den Abendhimmel auf, auf die Knie fallen, Halleluja, Fürchte dich nicht, im Namen Gottes – und immer wieder mit dem Thema Frau verbunden. Liebesgedichte an die Frau, an Frauen, dem Rätsel Frau… Aber wie sind sie zu verstehen?

So heißt es zum Beispiel in: „Einfache Qual“ – ein Auszug aus einem langen Gedicht:
Oh, dass meine Musik
Gekreuzigt werde
Wie auf einem Foto
Zurücklehnen und Melancholie.

Oh! Que ma musique
Se crucifie,
Selon sa photographie
Accoudée et mélancolique!…

Die Musik des Hustens, des Stöhnens angesichts der Krankheit? Und auch immer wieder in den Gedichten der Husten und Blut. Krankheit führte seine Feder „Und Opium, das länger braucht, um zu träumen?“ Ist das die Antwort auf die Frage der mir unverständlichen Gedichte: Opium? Vor allem Nachts – der Mond, der Gefährte. Aber der Sprachrhythmus im Französischen – ein Versuch, die Musik der Krankheit durch eine schöne sprachliche Form zu disziplinieren?

Religiös – ohne Hoffnung, Klagen über Klagen: „Trinität des Molochs: das Wahre, das Schöne, das Gute.“ („Edles und rührendes Geschwafel unter dem Mond“)

Der Leib Jesu ist für ihn nicht alles, auch hat er nicht ein so großes Herz für seine Geliebte wie Jesus (der allerdings nicht genannt wird). Aber es ist sein paradiesischer Stolz, als ein normaler Mann mit der Frau zusammen zu sein („Sonntags“). Wie den Glauben kann er die Frau nicht greifen. Sie durchströmen seine Gedichte, sind der Puls seiner Gedichte, aber unverstanden und gebrochen. Er hüpft von Augenblick zu Augenblick der Empfindung. Laforgue hat im Gedicht „Die kleine Kapelle“ zumindest in der Nachdichtung von Innozenz Grafe (Die Lyra des Orpheus. Lyrik der Völker in deutscher Nachdichtung, hg. v. Felix Braun, Heyne, München 1952) beschrieben, dass Christen die Monstranz emporhalten, die Jesu Herz enthält, der aus Liebe starb für die Welt. Das ewige Licht strebt auch nach oben – es ist aber nicht Licht, das die Welt erhellt, es ist die Klage der Menschen, deren Herzen brechen, denen nichts die Qualen stillt. (Grundlage anderer Texte: Wikisource.)

Auch die unten genannte Therese von Lisieux starb an Tuberkulose. Wie unterschiedlich Menschen damit umgehen!