Gerhard Fritzsche (1911-1944)

Gerhard Fritzsche war Sohn eines Strumpfwirkers, arbeitete am Webstuhl. Er war im Jugendbund für entschiedenes Christentum (EC) und Jugenddiakon, Jugendleiter. Er wurde 1940 zum Militär eingezogen und ist in russischer Kriegsgefangenschaft in einem Lager in der Ukraine umgekommen.

Meine Textgrundlagen: In Lob aus der Tiefe. Junge geistliche Dichtung, hg. v. F. S. Rothenberg, Göttingen 2. Auflage 1949 (LT); Lob Gott getrost mit singen. Ein Liederbuch für evangelische Frauen, Selbstverlag der Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland, 2. Bearbeitete Auflage 1955 (LG); Ein neues Lied. Ein Liederbuch für die evangelische Jugend, 17. Auflage 1966 (NL). Weitere Texte s. 27 Lieder, von Petzold vertont: https://www.johannes-petzold.de/quellen/34-dichter/1235-gerhard-fritzsche.html

Gelobt sei deine Treu (LT 8) besingt Gottes bewahrendes Handeln, Gottes Liebe. Wie in vielen Texten, so auch hier: der Tod ist Thema: „Wir preisen dich und bringen / Dir unser Lob mit Singen, / bis unser Mund im Tode schweigt.“ Gott gilt der Gesang – keinen anderen Mächten in der Zeit des Nationalsozialismus. Und das wird noch einmal deutlich besungen: Mein König, Dir zu singen (LT 9). In diesem geht es um des Satans Haufen, der die lichten Menschen bedrängt. Es geht um die Waffen Gottes, um Trotz/Verteidigung (Trutz) gegen Angst. Diesem König, Gott, möchte er ewig singen. Was aber nicht immer leicht fällt. In „Immer bleibt ein Restlein noch“ (LT 21) wird beklagt, dass er immer noch „Warum“ klagt, anstatt Gott zu vertrauen. Seine Antwort auf das Leiden in „Daß wir Deine Herrlichkeit“ (LT 22) ist: Wer zerbrochen ist, findet die Tür zu Jesus Christ. Im Grunde aber sagt In Gottes Hand (LT 32): Nicht fragen: Warum – was auch immer geschieht, Gott trägt „mich“ zu sich selbst. Es wird deutlich, dass Fritzsche vielfach nicht „uns“, oder den Menschen insgesamt im Blick hat, sondern spricht vielfach aus der Ich-Perspektive. Es sind Selbstreflexionen, Bekenntnisse. Aber ein ganz heller Klang zeigt dieses Gedicht: LIED: Dich, Schöpfer, lobt die ganze Welt (evangeliums.net) : Alle Welt lobt Gott – und das Leben ist kein irres Spiel, weil Gottes Licht uns sehen lässt.

Dass der Stärkere den Starken niederringt, das ist für Fritzsche das Weltgesetz. Dieses macht Angst. Angst macht, dass alles, was sicher zu sein scheint, immer am Abgrund steht. Und dieses Gesetz, so die Bitte, möge Gott durchbrechen. (Das Gesetz, LT 41) Dieses Weltgesetz, das auch in der Zeit des Nationalsozialismus herrscht, bringt noch etwas anderes mit sich: Uneinigkeit der Glaubenden. Falsche Lehre, Auseinandersetzungen, „Bruderfehd, die schlimmste Geißel“ als Werk des Teufels (Diabolos: Spalter, Trenner). Dem möge Gott wehren, denn die Gemeinde ist Tür und Fenster, durch die das Licht in die Welt fällt (LG 80; vgl. auch: Johannes Petzold – Über unser deutsches Land (johannes-petzold.de)). Er ruft in dem Lied „Gott ruft dich heut durch Jesum Christ“ auf, die alte Welt zu verlassen und Christus zu folgen. Denn „Christ ist allein der Freiheit Licht, die Kraft, die alle Ketten bricht“„Wahrheit, Leben, Seligkeit ist nur bei Christus uns bereit´.“: „Gott ruft dich heut, gib ihm die Hand!“ (NL 192). Christus ist es – und keine Ideologie und kein Menschenführer der damaligen Zeit. Angesichts des Kampfes, in dem Christus der Führer ist, sagt der Dichter: „Behüt euch Gott! Bleibt allezeit zu Kampf und Streit des Königs Aufgebot! Zum Dienst und harten Ringen schenk Gott uns sein gelingen, speis euch mit Lebensbrot!“ Christus möge die heimbringen, so lese ich aus dem Schluss des Gedichts, die im Kampf gefallen sind. (LG 257)

Weltpessimismus durchzieht so manche seiner Gedichte. Rausch vergeht, Licht ist verschleiert, Fragen und Zweifel kommen mit Blick auf den Menschen, selbst mit Blick auf Menschenbrüder. Dem Weltpessimismus weicht der Glaubensoptimismus: Gott heilt, wenn das Alte stirbt, wird Neues wachsen (Hier ist alles Licht verschleiert, LT 45). Neues wird sein, wenn Christus wiederkommt, Christus, der Anfang, Mitt´ und Ewigkeit (134f.) ist: „Du nur bist, / über allem Streit, / Anfang, Mitt´ und Ewigkeit, / Jesu Christ!“ Und Christus wird gebeten, wiederzukommen (Wenn alle Sterne schlafen gehen; LG 12)

Vor der Tür (LT 137) – Wolfgang Borchert schrieb 1946/7 Draußen vor der Tür. Es geht um einen Rückkehrer aus der Kriegsgefangenschaft und alle Türen der Gesellschaft sind für ihn verschlossen. Fritzsche steht auch vor der Tür – nicht vor der Tür der Menschen, vor Gottes Tür – und erwartet, dass er einmal den Sternensaal betreten wird. Gott, der die Welt in Händen hält, hält „mich“ in seinen Händen. Und eines seiner Gedichte trägt die Überschrift: „Draußen bleibt keiner“ (LT 136).