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Deutsche Kriegs-Psalmen. Die Kriegslieder unserer Zeit nach ihrer religiös-sittlichen Bedeutung gesichtet und geordnet von Otto Clorius, Xenien-Verlag Leipzig 1915 Deutsche Kriegs-Psalmen : die Kriegslieder unserer Zeit nach ihrer religiös-sittlichen Bedeutung gesichtet und geordnet / von Otto Clorius | Gallica (numistral.fr)
Viele der Dichter sind heute weitgehend unbekannt. Aber in ihrer Zeit waren sie zum Teil Berühmtheiten als Journalisten, Schriftsteller, Wissenschaftler, Theologen, Unbekannte, Frauen und Männer, politisch linke, rechte, manche wurden zu Pazifisten, manche zu Kriegsgegnern, manche hielten bis zum Ende fest und machten in der Zeit des Nationalsozialismus weiter.
Im Vorwort hat der Herausgeber angesprochen, dass sich eine neue Zeit auch im Lied ausdrücken muss. Und das Neue, das sich in den Kriegsliedern ausspricht, und das findet der Herausgeber wunderbar, ist, dass dieses so fromm ist. Es ist ein Wunder, das angesichts der vorangegangenen Zeit so nicht zu erwarten gewesen sei. In den frommen Befreiungsliedern durchdringen sich Nationales und Religiöses. Die Dichter sind Propheten, die tiefer hineinführen in das Gottesreich in deutschen Landen. Es geht in den Liedern unter anderem um Zorn und Hass und um den „unstillbaren(n) Ruf nach göttlicher Sühne und Vergeltung.“
Und das wird dann in den Gedichten deutlich: „Gott der Herr hat diese Stadt / in unsere Hand gegeben“ – „das Gottesfeuer, das uns durchschwellt, / wir brauchen dazu, die alte Welt / in Weißglut neu zu schmieden!“ (Richard Nordhausen; 129) – mit Bezug auf Jesu Wort vom Gericht über Kapernaum. Dass die Kämpfer im Grunde das Gottesurteil vollziehen, ist in einem Gedicht des berühmten Professors Otto von Gierke zu lesen (133). „Tedeum“ ist unter den zahlreichen üblen Gedichten eines der Übelsten. Im Gottesdienst jubeln Choral und Chor: „In Fetzen gerissen! Achtzehntausend!“ – es geht um Menschen in einem englischen Hafen, der in einer Katastrophe zerstört wurde. Das üble Gedicht ist von Rudolf Leonhard (143), der von einem Kriegsbefürworter zu einem Kriegsgegner wurde, Kommunist, der revolutionär tätig wurde. Ebenso kämpfte er in der Zeit des Nationalsozialismus in der französischen Widerstandsbewegung.
Aber es geht, so der Herausgeber im Vorwort, nicht überwiegend um Hass gegen die Feinde, sondern um Liebe für das Vaterland. Weiterhin, so der Herausgeber, geht es dann um die „spezifisch christlichen Lieder von der Versöhnung, von der ewigen Liebe, die auch im Kriege nicht schweigt“. Als Beispiel sei genannt, dass ein Deutscher einem sterbenden Franzosen beisteht. Als dieser gestorben war sagt er: „Nun schlafe wohl! Nicht Feind mehr, Bruder du!“ (Leo Tepe van Heemstede 284)
Zuletzt werden, so der Herausgeber, „Gotteslieder“ genannt, denn es ist nicht Deutschlands Krieg, es ist „Gottes Krieg gegen Lüge und Neidsucht.“ Aber diese Intention, dass der Krieg Gottes Krieg gegen die Feinde ist, finden wir nicht nur im Schlusskapitel, das durchzieht das Buch wie ein Roter Faden, denn die Feinde haben den Deutschen den Krieg aufgezwungen. Und so wird auch in dem Gedicht „Die große Stunde“ geschrieben: „Ob wir anbetend dich lieben, Vater im Himmel, / ob du uns nur ein Hort heil´ger Erinnerung bliebst, / sieh, wir schwören zu dir, dem Zeugen jeglicher Wahrheit: / Wir haben es nicht gewollt, / dies Morden, dies weltentvölkernde Morden, / das mit blutheißer Sense / jetzt schauernd über die Erde stapft.“ Der Krieg ist Deutschland aufgezwungen worden (149ff.), so Hermann Sudermann, der auch ein Manifest (Manifest der 93) unterschrieben hat mit entsprechendem Inhalt: https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_93 „Du weißt es, Gott, ohn´ Unterlaß / folgt´ ich dem milden Heilandsgesetz, / sie aber woben in höllischem Haß / aus Trug und Tücke das tötende Netz“ (Richard Nordhausen 229) Entsprechend spricht auch das Gedicht von Isolde Kurz, dass es der Neid der Feinde ist, der zu kämpfen zwingt – und Gott allein bleibt „uns treu“ (153). Und so stehen die Deutschen vor Gottes Thron und sagen ihm, dass man ihn und seine Welt an die Habsucht verraten habe (157) – so Cäsar Flaischlen, der auch als Dichter des Liedes: „Hab Sonne im Herzen, obs stürmt oder schneit“ bis heute bekannt ist. Kurz: Schuld sind die anderen.
Gott ist es, dem gedankt wird, weil er „den wirren deutschen Geist / mit des Südsturms Feuerschwingen / lichterloh in eins geschweißt“ (Heermann Sudermann 207) Aufgrund dieser Einheit kann der Kampf begonnen werden. Darum: Gott will den Krieg und führt die Jugend in den heiligen Krieg. Die Dichter können Gott nicht verstehen – aber sie fügen sich seinem Willen. Und wenn die Soldaten fallen, werden sie, so die Trostworte, die Geliebten im Himmel wiedersehen. Und so beten die Soldaten: „Gott, dir ergeb ich mich! / So wie Christus uns lehrte: Glaubt und lebt ewiglich! / Und vor uns zerspringen Granaten.“ (Divisionspfarrer Klingenburg 95)
Aber dann auch immer der Trotz: Die Frau, die vom ausziehenden Soldaten verlassen wird, heißt „Marie“. Und ihr Ehemann sagt ihr: selbst wenn die Mutter Maria sagen würde, geh nicht in den Krieg, er würde gehen (Richard Dehmel 12) – „Da alles ruht in Gottes Hand; / wir bluten gern fürs Vaterland“ (Dehmel 109). Dass der Trank, den Gott gibt, bitter ist, wird auch ausgesprochen. „Doch wir preisen Schmerz und Wunden, / heil´ges Leben, heil´gen Tod. (Otto Crusius, der sich beruflich intensiv mit Nietzsche beschäftigte 248, vgl. auch 249). Und: „Je weiter vom Glück, desto näher bei Gott.“ Georg Schlüchtern, dessen Haus ein beliebter Treffpunkt vieler Menschen war, beschäftigt sich in diesem Gedicht wie auch andere weniger mit der Front als damit, dass das Leben im Land selbst verändert werden muss, gegen Genuss, gegen Gier: „Hunger und Krieg? Wir lasen´s wie Märlein und dachten – an Sieg. / Nun sehn wir uns selbst unter eisernem Joch“ (254).
Der Glaube ist vielfach nicht das Dominante, sondern das, was größer ist als das Ich, es ist Deutschland. Es gilt, für Deutschland zu sterben. Der Ruf des Vaterlandes wird gleichgesetzt mit dem Ruf Gottes (Unbekannt 14) – „Gott ist groß, / deutsch euer liebes Blut.“ (Speidel 29) Das „andere Beten“ – das propagiert wird, ist das „zorndurchwehte“ Lied: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall!“ – und wenn das Gebet zum dritten Mal erklingt, dann sind es keine Worte mehr: „Gott legte in den deutschen Stahl / für Tapfre das Vollbringen.“ (In Aufnahme eines Paulus-Wortes) Und dieses Beten ist es, das Gott gefällt, das „eisern Beten“. (Rudolf Herzog [von ihm wurden im Band viele Gedichte mit Blick auf Gott und Krieg aufgenommen]; 55) Und so wird Gott intensiv mit der Waffe verbunden: „Gott zur Ehre, / uns zur Wehre, / führt dich meine Faust!“ – gemeint ist das Schwert – das Gedicht endet: „Jauchzend singe / deutsche Klinge, / nun dein Jubellied, / Gott zu preisen, / der dein Eisen / meiner Faust beschied!“ (Siegfried Moltke 56). Der Deutsche ist der Todesvollstrecker im Namen Gottes: „Herr, großer Gott, ich bin dir nah, / ein Werkzeug in deiner Hand, / und sens´, bis die Viktoria / durchbraust das deutsche Land!“ (Joseph von Lauff; 168; Vollstrecker des Gottesgerichts: Walter Flex 211). „Der Feind liegt am Boden! – Gott, du bist groß!“ (W.A. Krannhals 192) „O Ehrentag von Tannenberg, umbraust von Schlachtenwettern… Gottvater überm Sternezelt, du großer Schlachtenlenker“ (Paul Grotowsky 199) – und das letzte Wort der sterbenden Soldaten: „Herr Gott – und laß uns siegen –!“ (Karl Rosner 200). Die Kindergärtnerin Maria Benemann formuliert folgende Bitte: „Herr, ich bin dein. Nimm mich als deine Geißel / und wirf mich tausendfach den Furien hin, / und form aus meinen Wirbeln dir den Meißel / für neue Werte, wenn ich nicht mehr bin.“ (262) „Glaubt mir: an dem deutschen Wesen, / seinem Heimweh nach dem Ew´gen, / soll die ganze Welt genesen!“ – so der Theologe Karl Ernst Knodt (272). Ebenso sieht Leo Sternberg, dass wir den Feind besiegen mit Seele und Waffen „und wieder Frieden auf Erden schaffen“ (290) – der weihnachtliche Jubelruf, dass Gott in dem wehrlosen Kind Jesus Mensch wurde, somit Frieden auf Erden verheißt, wird hier ins Gegenteil verkehrt: Frieden schaffen die Deutschen auf der Welt mit Waffen. Zu diesem Verfasser habe ich nichts gefunden (wird wohl nicht der gleichnamige Pfarrer sein, der 1912 schon gestorben ist): „Herrgott, dich loben wir! Herrgott, wir müssen vernichten, / Herrgott, wir müssen Blut und Verderben säen! Herrgott, gerecht wirst du wägen, gerecht wirst du richten, / wenn Tempel des Friedens in Rauch und Trümmer vergehen! / Deutschland muß lieben, muß lieben selbst mit dem Schwerte; und die mordende Hand betet, indem sie zerstört: Frieden will Deutschland, ewigen Frieden der Erde! / Hilf unsern Waffen! – Herrgott, du hast uns erhört!“ (Julius Burggraf 326) Wenn Gott so eng mit Erfolg verbunden wird, entziehen sich ihm Menschen, wenn Misserfolg kommt. Gott ist Erfolgsgarant. Wenn er sich hingegen nicht als einen solchen sieht, sondern sich selbst entzieht, stürzen Menschen in Zweifel. Diese Dichter haben nicht nur Menschen betrogen, sondern letztlich auch dazu beigetragen, dass sich Menschen von Gott entfernen.
Die Sprache wird religiös. Der „heilige Geist“ ist nicht der Geist Gottes, sondern der Geist der alten deutschen Zeit (Richard Nordhausen 214). Nicht nur, dass der Heilige Krieg und vieles andere als heilig bezeichnet wird, dass das Reich Gottes mit dem Deutschen Reich verknüpft wird, ebenso wird „Auferstehung“ als Auferstehung des deutschen Volkes gedeutet – und Ewigkeit versprach Gott dem deutschen Volk (Walter Flex 210). Es geht auch um des „Mannes Feuertaufe“ die „zugleich sein Abendmahl“ ist (Hermann Burte, 93). Entsprechend ist auch das Hosianna nicht mehr ein Ruf, der Gott gilt, sondern: „Hosianna der Tat! Hosianna dem Mut! / Hosianna dem Schrecken! Hosianna der Wut! / Hosianna der Rache! Der Arm ist gereckt, / nun zeigt jedweder, was in ihm steckt, / nun brause, wie er brausen muß: Furor Teutonicus!“ (Alfred Josef Winckler; 125) Walter Flex formuliert: „ein jeder Schwertschlag Gottesdienst / und jeder Schuß ein beten“ (231). Vieles wird umgedeutet, religiös verbrämt. Auch „Gott“. „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts.. sonst nichts..“ (Paul Enderling 217) Eben: diesen Gott, den Menschen sich zusammengebastelt haben. Und dass Deutsche Christen ein paar Jahrzehnte später religiöse Lieder auf Hitler sprechen konnten, hat sein Vorbild hierin, der religiösen Verklärung von Wilhelm II. Im Gedicht sagt „er“: „Bin euer Herr, und bin des Herren Knechte – / Und gehe euch voran, voran zum Licht. / Ruh´n Kraft und Heil in seinen gütigen Händen, / Er wird uns Sieg, Er wird uns Segen spenden!“ (Leo Sternberg 224; Richard Schaukal 227). Oder dass ein Ludwig Müller, Reichsbischof aus Hitlers Gnaden die Bibel massiv umprägen konnte, erfahren wir auch schon hier in der „Feldpredigt“: „Hört, was Gott spricht, die ihn nennen: `Wer mich bekennt, den will ich auch bekennen.´ Denkt nach, Kameraden, denkt und werdet weiser! / Das heißt: Steht ihr auf Erden fest zum Kaiser, / der eures Leibes Seele bis zum Tod, / macht Gott euch hieb- und stichfest in der Not.“ // Denn was Gott fordert, das ist Mannestreue“ usw. (Rudolf Herzog). Gott geht mit dem Heer. Und wenn es siegt, ist das ein Bekenntnis Gottes „zu uns“ (328; der Theologe Martin Schian, der dann in der Zeit des Nationalsozialismus unrechtmäßig „beurlaubt“ wurde).
Entsprechend werden auch christliche Lieder, wie „Jesus geh voran“ für die Kriegsbegeisterung gebraucht (Walter Flex 237) Christen bringen keine Opfer mehr. Jesus Christus ist das letzte Opfer gewesen. Doch die Opfer-Metaphorik durchströmt sehr viele dieser Gedichte, woran auch die archaische Sicht erkennbar wird. Das Schlachtfeld wird zum Altar, auf dem Opfer dargebracht werden (Theodore von Rommel 261). Oder das Blut Christi und das Blut der Gefallenen wird miteinander verbunden: „Der Friede kam, als du am Kreuz verblutet; / der Friede komm´, wenn unser Blut verflutet!“ (Pfarrer Sebastian Wieser 290) Das Lamm Gottes wird angesprochen: „Wo Verwesung über die Felder weht, / da halte dein Opfermahl. / Bis wieder Mensch mit dem Menschen geht / durch deinen Sternensaal.“, so Fritz von Unruh, der später Pazifist wurde (291).
Die Soldaten „stehn oder fallen – wie´s Gott gefällt“ – doch wird gebetet, „Daß Gott ihnen gnädig sei!“ Und es gibt nur „ein Glaube – ein Hoffen – ein Gebet : / `Herrgott, laß Deutschland nicht verderben, / für das unsere Söhne bluten und sterben!´ / – Herr, höre der Mütter Schrei!“ (T. Resa = Therese Gröhe; 31) „Heilige Saaten, von Gott gesät!“ – die gefallenen Soldaten (A. Natorp 259). Gott ist der Herr der Ernte – das Blut der Gefallenen ist der Wein – es „soll wie Feuer durch Adern fahren / und künft´gen Zeiten noch ein Labsal sein!“ (der seit 1901 Schwulenaktivist Peter Hamecher 258). Und ein weiteres Gebet: „Im Herrn gestorben für Reich und Thron, / gib Gott, ihm reichen Himmelslohn. / Wie du´s gefügt, so ist es gut… / Nun gilt´s für die Kinder mit starkem Mut“ (Reith; 45) – so die Frau, nachdem ihr Mann gefallen ist. Und die Mutter soll sagen, wenn Gott sie einmal fragen wird, „`Weib, was gabst du dem heiligen Vaterlande?´ / Sprichst du: `Mein Bestes, Herr, den einzigen Sohn.`“ (Presber 50; vgl besonders massiv: Walter Flex 238)
Viele dieser Lieder sind äußerst emotionale Durchhaltelieder an die Daheimgebliebenen Ehefrauen und Mütter, sie sollen (sich) opfern wie die Männer an der Front.
Auch Gedichte von Gertrud von Le Fort sind zu finden, ein Wiegenlied für ein Kind, das in heiliger (Kriegs)zeit aufwachen soll – mit Friedenswunsch: „Damit der Geist, der uns heute verzehrt, / in deiner Zukunft den Frieden verklärt – / Erwache, mein Knabe.“ (28)
Es ist eines, wenn ein Soldat glaubt, im Krieg sich Gott anzubefehlen, auch im Krieg im Glauben lebt. Es ist ein anderes, den Glauben, wie es viele dieser Dichter und Journalisten tun, den Glauben propagandistisch einzusetzen, ihn als Durchhalteparole in die Welt trompeten – und zwar gegen andere. Das propagierte Christentum ist keines mehr. Wie Paul Zech schrieb: „Stirb und Werde!´/ das war… sein Christentum“ (96). Ein sonderbares Christentum.
Hinweisen möchte ich noch auf eine Formulierung von Eduard Sänger (122):
„Lau-blauer Tag, dein Friede stieg
aus Früh- und Abendrot –
Doch ward der Mensch des Menschen müd´
Und schlug den Frieden tot.“
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Im Alten Testament gibt es viele Texte mit Blick auf Krieg, die diesen mit Gott in Verbindung bringen. Sie sind jedoch, soweit ich das überblicken kann, rückwirkend mit Gott in Verbindung gebracht worden, um zu sagen: Nicht nur eure heidnischen Götter sind mächtig – auch unser Gott ist es, ein mächtiger Kriegsherr. Wesentlich ist jedoch: Kriegsdrohung wurde von Propheten verwendet, um das Volk zur Umkehr zu bewegen. Was hier geschieht ist ein anderes: Gott wird benutzt, um Kriege zu legitimieren. Er wird benutzt, um das Versagen der Menschen zu kaschieren.
Menschen deuten den Glauben um, wie es viele aufgrund der Zeit verlangen. Sie sind modern. Sie passen sich an. Sie wagen den Vorgaben der Zeit nicht zu widersprechen. All das ist an diesen aus christlicher Sicht schrecklichen Umdeutungen des Glaubens zu erkennen. Aber damit sind sie im Grunde nur ein Beispiel für das, was durch die Zeiten geschah und geschehen wird.
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Vor ein paar Monaten noch war in unserer Zeit das Thema Krieg fern. Kriege wurden als solche verpönt. Seit Putin die Ukraine überfallen hat, sehen wir in unserer Gesellschaft, wie schnell Krieg wieder hoffähig wird. Christen sollten an dieser Stelle nicht emotional mitziehen, sie sollen die Menschen beider Seiten sehen – und versuchen, so gut sie es können, politisch sachlich und klug zu handeln, ohne emotionalen Leichtsinn. Schwache unterstützen. Immer mit Blick auf Menschlichkeit und Frieden, wie uns der Kirchenvater Augustinus und auch Thomas von Aquin und viele andere Christen seit Alters lehren.
(Siehe https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/frieden-krieg-1/ (1-3)
Eine Anmerkung: Das Lied, das Adrianus Valerius zum Befreiungskampf der Niederländer 1597 gedichtet hat, lässt so manches schon anklingen, was wir hier in den Kriegsliedern gelesen haben: https://de.wikipedia.org/wiki/Wir_treten_zum_Beten
Eine Nachbemerkung:
Glaubende seit Alters bitten Gott um Beistand gegen die Feinde: Teufel, Welt, Sünde, Tod. Glaubende bitten Gott, dass er ihnen, wenn sie seinen sozialen Willen umgesetzt haben, nach ihrem Sterben annehmen werden. Glaubende bitten um Gottes Führung zur Bewältigung des Alltags. Was wir in den Kriegsliedern finden, das ist eine Umdeutung. Es geht nicht mehr für… – sondern gegen. Wenn Glaubende den menschlichen Feind nach Gottes Willen vernichtet haben, dann möge Gott sie annehmen, wenn sie bei dem, gerechten Kampf sterben sollten, wird Gott sie aufnehmen, da sie ja Gottes Willen getan haben. Was wir hier finden ist eine vollkommene Umkehrung dessen, was im Neuen Testament gelehrt wird. Nicht der Friede, die Gemeinschaft, nach der getrachtet werden soll steht im Blick: Im Blick steht Friede durch Vernichtung, Friede durch Besiegung. Was für eine Verkehrung!
Und diese Verkehrung wird sehr gut ausgesprochen in dem Text von Will Vesper (1882-1962). Er soll vollständig zitiert werden, weil daran erkannt werden kann, wie eine Umdeutung funktioniert. Will (Wilhelm) Vesper war Schriftsteller, Journalist, Literaturkritiker, Landwirt. Er studierte nach dem Abitur Germanistik – ohne Abschluss. Er leistete von 1915-1917 Kriegsdienst. War Mitarbeiter in zahlreichen Zeitungen und Verlagen und Herausgeber zahlreicher Anthologien. Vesper hat 1931 in dem Roman „Das harte Geschlecht“ christianisierte Isländer zu mordenden Rassisten-Christen gemacht. 1931 trat er in die nationalsozialistische Partei ein, vertrat vielfach und heftig die Ideologie, war in Sachsen der Leiter der Reichsschrifttumkammer und hielt im Zusammenhang der Bücherverbrennung in Dresden eine Rede. Er diffamierte mit seiner Zeitung Juden und Verleger wie Schriftsteller, die nicht stramm nationalsozialistisch eingestellt waren. https://www.deutsche-biographie.de/sfz136016.html Nach dem Krieg hatte er weitere Einflussmöglichkeiten. Sein Gedicht, das in dem oben genannten Buch „Deutsche Kriegs-Psalmen“ genannt wird:
Liebe oder Haß?
Ich sah am Kreuze Jesu Christ,
der aller Liebe Vater ist.
und noch in Kreuz- und Todesnot
den Feinden seine Liebe bot.
Es sprach zu mir sein mild Gesicht:
Nun singe Liebe! hasse nicht!
Ich aber hab´ mich abgewandt,
nahm hier die Feder in die Hand
und schreibe her: Ich hasse, Herr!
Aus tiefster Seele hass´ ich, Herr!
Und blick´ dir doch klar in´s Gesicht:
Mein Haß weicht deiner Liebe nicht!
Weil dieser Haß, Herr Jesu Christ,
die Frucht der höchsten Liebe ist.
Mein Vaterland in tiefer Not:
Haß allen Feinden bis in den Tod!
Hieran wird deutlich: Jesus lehrt Liebe – Liebe bedeutet, so der Autor, den Feind zu hassen. Damit wird Liebe umgedeutet. Die Verwendung des Wortes „Herr“ wird hier als Spott verwendet. Wenn ein Mensch Jesus Christus als Herrn anerkennt, dann ordnet er sich ihm unter und schaut ihm nicht frech ins Gesicht mit einer Sichtweise, die Jesus Christus fremd ist.
Laut Otto Herpel: Die Frömmigkeit der deutschen Kriegslyrik, Töpelmann, Gießen 1917,143 stellt Vesper mit seinem Gedicht: Vision in der Schlacht (das mir noch nicht zugänglich ist) vor. Vesper hat eine Vision, in der er Christus sieht, der seine Hand auf das blutende Herz presst und die Heere, die vor ihm knien, segnen möchte. Bevor er das machen konnte, traf ihn eine verirrte Granate. Christus zerfloss ins Leere, sagt aber vorher noch: „Friede auf Erden. Friede sei mit allen“. Herpel interpretiert das so, dass „der Herr der Liebe, durch den Krieg geradezu getötet worden“ sei.
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Zu Otto Herpel
Herpel sieht, dass im ersten Kriegsjahr Gott in Gedichten vielfach genannt wird, Christus aber kaum. Der alttestamentliche eifernde Gott ja, aber: „Haben doch heute noch nicht die zünftigsten Theologen den Krieg mit dem Christentum in eins gebracht“ (womit er ein Zitat aus der Monatsschrift für Pastoraltheologie 1915 anführt) – aber, so Herpel, das habe sich bis 1917 geändert. Zwar wird Christus nicht häufig genannt, aber manche setzen sich doch auch mit ihm auseinander – vor allem unter Berücksichtigung des Opfers. Weiterhin hilft der Glaube an Christus das Leben in der Gefahr des Krieges zu bewältigen. Herpel selbst ist Kind seiner Zeit. Er fragt nicht danach, ob ein Krieg Gottes Wille sein kann – und unterscheidet auch nicht zwischen propagandistischen Gedichten und Gedichten aus individuellem Glauben heraus. Hier und da klingt es an – es wird aber nicht versucht, beides zu trennen.
Laut dieser Seite https://www.lissberg.de/j.-otto-herpel.html wurde Herpel 1917 als Garnisonspfarrer nach Metz geschickt und wurde Pazifist – wurde sogar „wegen defaitistischer Äußerungen“ 1918 nach Posen versetzt. In seinem oben genannten Buch führt er unter dem Thema Pazifismus den Pazifismus des Gefühls an. Als Beispiele nennt er Ina Seidel, so das Gedicht „Der Bruder Tod“, das er allerdings leider nicht zitiert, denn in ihren Gesammelten Gedichten (1937) (**) ist das Gedicht nicht aufgenommen worden. Ihren Pazifismus lobt er. Aber die reflektierten Pazifisten gehen zu ungerecht mit denen um, „die doch den Krieg führen müssen, ohne daß sie ihn wollen“. Die christlichen Pazifisten „setzen die Liebe gleich Gott und den Krieg als dessen unversöhnliche Gegenseite.“ Er zitiert unter anderem ein Gedicht von Olga von Adelung (1864-1952), zu der ich leider keine wesentlichen Angaben gefunden habe: „Im Krieg… da haßt man den Feind / und möchte ihm nehmen Geld und Land – / und Jesus sagt doch: Vergib deinem Feind / und reich ihm in Liebe die Bruderhand.“ Und die Pfingsthymne von Walter Nithack-Stahn (1866- 1942) führt er lobend an. (*) Das heißt, das hier schon der Samenkorn des Pazifismus gelegt wurde, der dann durch die Erfahrungen im Krieg weiter gewachsen ist.
(*) Nithack-Stahn war Pfarrer und Schriftsteller, seit 1908 in der Deutschen Friedensgesellschaft Mitglied und wirksam. 1913 formulierte er mit Otto Umfried einen Friedensappell, den 400 Pfarrer unterschrieben haben – was aber von keiner Tageszeitung aufgenommen wurde. 1917 hat er mit vier anderen Pfarrern eine Erklärung zum Frieden formuliert, die von 160 Berliner Pfarrer abgelehnt wurden: Sieg oder Untergang war die Devise der 160. file:///D:/Downloads2/lebensdaten_walther_nithack_nithack-stuben.pdf
(**) Die Gedichte Ina Seidels aus der Zeit – soweit sie datiert sind – zeigen eher eine melancholische Einordnung des Krieges. Es ist kein Hurra-Patriotismus erkennbar.
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Siehe auch: https://gedichte.wolfgangfenske.de/volkslieder/
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Der kommende Held
Spannend ist das Lied, das der Journalist und Schriftsteller Ernst Leibl (1895-1982) 1917 gedichtet hat (übernommen aus: https://www.volksliederarchiv.de/wir-heben-unsre-haende-aus-tiefster-bittrer-not/ ). Er stand dann später den Nationalsozialisten nahe, trat 1939 in die NSDAP ein und hat nach dem Krieg Einfluss in der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Das Gedicht sei ganz zitiert, weil an ihm etwas verdeutlicht werden soll:
Wir heben unsre Hände
aus tiefster bittrer Not.
Herr Gott, den Führer sende
der unsern Kummer wende
mit mächtigem Gebot
mit mächtigem Gebot
Erwecke uns den Helden
den seines Volks erbarm
des Volks, das nachtbeladen
verkauft ist und verraten
in unsrer Feinde Arm
Erwecke uns den Helden
der stark in aller Not
sein Deutschland mächtig rühret
dein Deutschland gläubig führet
ins junge Morgenrot
Wir weihen Wehr und Waffen
und Herz und Mund und Hand
Laß nicht zu Schanden werden
dein liebstes Volk auf Erden
und meiner Mutter Land
Die Erwartung, dass ein Führer kommen möge, war da. Und weil sie da war, konnte sie blind machen für Realitäten – für Menschen, die sich als Führer ansahen, ausgaben, verehrt wurden. Hitler kam. Schon wenige Jahre später, nachdem das Lied veröffentlicht worden war, begann er sich zu rühren, bis er 16 Jahre später Menschen vernichtete, das Volk ins Unglück führte, Länder verheerte, zum Symbol für Menschenverachtung und Brutalität wurde. Nicht nur, weil er es selbst war, sondern weil er das Schlechte, Bösartige im Menschen weckte, sodass viele seine willfährigen Vollstrecker wurden.
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Ich finde das Gedicht spannend, weil es im Alten Testament einen Bericht darüber gibt, dass das Volk Israel sich einen König wünschte. Gott wollte ihm keinen König geben. Das Volk forderte weiter. Gott erfüllte die Forderung des Volkes, nicht aber, ohne dass sein Diener Samuel dem Volk sagt, was es alles zu erleiden hat, wenn sie einen König haben: die Söhne müssen für ihn arbeiten, im Krieg kämpfen, den Krieg finanzieren. Die Töchter werden weggenommen werden, der Besitz wird weggenommen und seinen Hofleuten übergeben, er wird Steuern eintreiben, um seine Leute bezahlen zu können, usw. „Ihr werdet seine Sklaven sein!“ Dann wird das Volk zu Gott rufen, wegen dieser brutalen Könige, aber Gott wird seine Ohren verschließen. Trotz dieser Warnung wollte das Volk einen König: Dann werden wir auch so sein wie alle anderen Völker (1. Samuel 8). Dann wird über die Könige berichtet, die sich an Gottes Willen orientierten, und die Könige, unter denen das Volk besonders zu leiden hatte. Es kam dann nicht mehr auf Gott an, obgleich er sein Volk begleitete, – sondern auf den jeweiligen Menschen: Hat er Gottes Willen getan oder nicht? Der König war also nicht mehr automatisch „der Wille Gottes auf der Erde“. (Dass die Darlegungen Probleme beinhalten, sei hier nicht weiter vertieft – dazu s. : https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/frieden-krieg-1/ )
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Von Ina Seidel gibt es in ihrem Gedichtband: Neben der Trommel her, Gedichte von 1915 auf Seite 13 ein „Deutsches Winterlied“. In diesem besingt sie den Winter und dass die Deutschen anders als die anderen dem Winter standhalten, weil sie so heiß, heldenhaft und stark sind. Die letzte Zeile lautet: „Deutscher Winter, komm über die Welt!“ – und der deutsche Winter kam, aber anders als gedacht. Von daher hat das Gedicht wohl keinen Eingang in die Gesammelten Gedichte aus dem Jahr 1937 gefunden (es sei denn, es hat einen anderen Titel bekommen).
Aber nicht nur der Deutsche Winter wird erfleht, sondern es wird der Einzige erwartet, der „aus der Tiefe“ kommt, emporschwillt „auf dem Odem des Todes“. Es schließt: „Völker müssen im Blut vergehen, / Um uns den einen Helden zu reifen.“ In den Gesammelten Gedichten von 1937 wird „einen“ gesperrt gedruckt: „Um uns den e i n e n Helden zu reifen.“ Sie als Hitler-Prophetin?