C. S. Lewis (1898-1963)

Clive Staples Lewis ist nicht gerade bekannt für seine Gedichte. Bekannt wurde er zumindest nachhaltig bis heute durch die „Chroniken von Narnia“ (1949/50-1954/6).

1908 starb seine Mutter, einen Monat später sein Großvater, der Vater zog sich zurück, die Kinder, so auch Clive verstanden die Welt nicht mehr. Erschreckend sind seine Berichte über das, was er in Schulen erleben musste, an Lehrern aber auch an den Schülerhierarchien. Er wurde 1918 in Frankreich im Kampf von einer irregeleiteten britischen Granate verwundet, während zwei seiner Freunde starben. 1920-1923 studierte er in Oxford. 1954 bekam er in Cambridge einen Lehrstuhl für Literatur des Mittelalters und der Renaissance.

Er verließ mit 15 Jahren den christlichen Glauben und unter dem Einfluss von J.R.R. Tolkien und Chesterton wandte er sich wieder dem christlichen Glauben zu, was er in „The Pilgrim´s Regress´ verarbeitete. Bzw. anders gesagt, mit Lewis: Widerwillig ist er von Gott in den christlichen Glauben hineingezogen worden. Sein Leben des Atheismus – Theismus bis hin zum christlichen Glauben verarbeitete er in „Surprised by Joy“. Freude ist ein eminent wichtiges Thema für ihn, da Freude nicht einfach nur große Freude bedeutet, sondern Freude immer auch den Aspekt der Sehnsucht beinhaltet. Er veröffentlichte viele bedeutsame christliche Werke unter anderem „The Screwtape Letters“ („Dienstanweisungen an einen Unterteufel“). Nachdem er seine ersten Werke zum christlichen Glauben veröffentlicht hatte, war er überrascht über die zynischen Reaktionen seiner Uni-Kollegen. 1956 heiratete er Joy Davidman Gresham, die allerdings vier Jahre später an Krebs starb. Zurzeit der Heirat war schon bekannt, dass sie erkrankt war. Die schlimmen Kindheitserfahrungen und die Auseinandersetzung mit ihrem Sterben werden in den Gedichten deutlich. Lewis war eher bekannt für seinen Humor, seine Geselligkeit – aber in den Gedichten begegnet eher der grübelnde Lewis.

Er starb 1963 an Nierenversagen – in seinen letzten Jahren wurde er von Krankheiten geplagt.

Ich beziehe mich auf die Gedichte, die sein Sekretär Walter Hooper 1964 herausgegeben hat: C.S. Lewis: Poems 1964, reprint New York 2017. Weiter: James M. Houston: The Prayer-Life of C.S. Lewis  https://www.cslewisinstitute.org/webfm_send/44 ; und siehe auch die Links. Die Arbeitsübertragungen sind von mir.

Ein Auferstehungsgedicht ist „After Prayers, Lie Cold“ (200). https://www.best-poems.net/c_s_lewis/poem2672.html In diesem geht es darum, dass er seinen kleinen Leib auffordert, sich hinzulegen, zu sterben, denn Gott ist barmherzig und er hat vergeben. Dann wechselt das Gedicht von der aufgeregten Ruhe in eine gegensätzliche Stimmung: „Trinke das bittere Wasser, atme den kühlen Tod“ – akzeptiere das Vergehen. Aber schon bald kommt der Aufruhr – so interpretiere ich das – gegen den Tod durch den Hinweis auf Blut und den Atem.

Ich interpretiere das so aufgrund der „Five Sonnets“ (192ff.) ausführlich bedacht https://enmissioned.wordpress.com/2012/02/09/five-sonnets/  . Er setzt sich mit Menschen auseinander, die meinen, wenn man nicht gegen Gott schreie, habe man keine Gefühle. Aber auch Glaubende haben diese Gefühle, doch sie beginnen unsicher ein neues Leben, um ewiges Leben zu erlangen, ein Leben, das dem Menschen im irdischen Leben albern erscheint. Und in diesem verzweifelten irdischen Leben, in dem Schmerz herrscht, erkennt er Geborgenheit, die Glaubenden (so interpretiere ich das „uns“) widerfährt. Im 3. Sonett wird heftig dargelegt, dass das Leben nicht ohne das Sterben zu erlangen ist. Menschen klopfen an die Himmelstür, schreiend, hören aber nur ihr eigenes Echo und meinen, das sei eine Stimme aus dem Himmel. Die Gebete erwecken Liebe zum Leben – aber erfahren das Sterben. Dann erst gibt es „Frühling und Wiedergeburt“. Sonett 4 und 5 legen dar: Wer ein einfaches Leben haben möchte, ist wie die Biene, die ständig an das Fenster prallt und meint, so die Blüten zu erreichen – sie ist angewiesen auf Hilfe, die sie auch gegen ihren eigenen Willen hinaussetzt, hinaus in die Freiheit. Engelsspeise gibt es also erst, nachdem der Körper verspottet wurde – Trost gibt es erst im Leiden.

In dem Auferstehungsgedicht: „Evensong“  (196f.) https://mwerickson.com/2021/06/04/c-s-lewis-evensong-poetry-for-easter/ werden Schlaf und Tod miteinander verbunden: Der Schlaf wird geschildert, Gott wird angeredet – ohne Gott genannt zu werden, sondern „DU/Thy“, ihm wird die schlafende Seele übergeben, damit er sie während der Todartigen Stunde des Schlafs zu seinem Ebenbild neu mache und am Morgen neu aufweckt. Die dritte Strophe endet mit dem Hinweis auf den Tod (des Schlummers ungewisser Bruder): „Mitten in diesem Gefängnis / Kann uns Deine Stimme finden, / Und, wie Du auferstanden bist, / Erhebe uns im Dämmerlicht Deines Morgens.“ („Raise us in Thy dawn“)

Das Gedicht, in dem Lewis das Gebet reflektiert (187) ist ebenso spannend. Er greift einen Vorwurf gegen Beter auf, sie spielen die Rolle von zwei Menschen, einmal den Beter und dann den antwortenden Gott. Der Betende ist Träumer. Er gibt diesem Vorwurf zum Teil recht. Aber: Wenn der Beter betet, findet er in sich selbst nur eine leere, ausgetrocknete Quelle. Dann geht Gott selbst über in das Gebet des Menschen. Er gibt die Rolle des Zuhörers auf und spricht durch den Betenden. Während wir also meinen, dass „zwei“ sprechen, spricht Gott als Einer, und der Betende ist kein Träumer, sondern Traum Gottes. Freilich ist nicht ganz deutlich, ob das Gedicht von Lewis ist oder er es von jemand Anonymen aufgegriffen und in seinem Leben als wichtig angesehen hat.

In den Gedichten liegt viel Ambivalenz. So auch im „Lied der Pilger“ https://www.best-poems.net/c-s-lewis/song-of-the-pilgrims.html Sie gehen ihren mühsamen Weg, erwarten hinter dem Frost die Gärten, in den die Rosen blühen. Auf dem Weg werden die Beschwernisse geschildert, auch die Anfechtungen: Ist es die Dummheit der Weisen, die uns das erwarten lässt, hindert die Erwartung sogar, die Blumen am Wegrand zu erkennen? Doch durch Gott selbst wissen die Pilger, die Weisen, dass das Land hinter dem Frost liegt. In „Tu Ne Quaesieris“ https://www.best-poems.net/poem/tu-ne-quaesieris-by-c-s-lewis.html wird das ähnlich ausgesprochen, heftig wird das eigene verblendete Ich geschildert, das sich gegen Gottes Willen bricht. Aber erst dann, wenn Sehnsucht und Sünde mit dem Leiden der Natur zusammenfallen, wird die neue Existenz beginnen, das Ende bedeutet: Lebensbeginn.

Dass das Leben schwierig ist, trotz des Glaubens, das formuliert er sehr eindrücklich in dem Gedicht Pilgrim´s Problem (182) http://yourdailycslewis.blogspot.com/2005/10/pilgrims-problem.html Eigentlich ist er auf seiner Glaubensreise schon weit gekommen. Er hat alle Schwierigkeiten des Weges hinter sich gelassen und die Ruhe sollte jetzt kommen. Aber so ist dem nicht: Er kann die erwartete Ruhe, den Lebensweg ohne Probleme nicht erkennen. „War die Landkarte falsch? / Karten können falsch sein. / Aber der erfahrene Wanderer weiß / dass andere Erklärungen häufiger wahr sind.“

Auch in seinem Weihnachtsgedicht „The Nativity“ (186) wird die Ambivalnez deutlich. Er beschreibt den Ochsen, den Esel, die Schafe. Der Ochse kapiert nicht so schnell, der Autor möchte die Standhaftigkeit des Ochsen haben, der die Herrlichkeit langsam wachsen sieht; der Esel will Heu fressen und findet den Retter, so möchte er vom Esel Geduld lernen – wohl um im Heu des Lebens den Retter zu finden; das Schaf beobachtet die Krippe, in der der Herr liegt, möge seine blökende Natur wie die wollige Unschuld Gewinn davontragen.

Heftig wird seine hiob-artige Abrechnung mit Gott, der in der Bösartigkeit der Menschen Gott verfluchen lässt, in „De Profundis“ https://www.best-poems.net/c-s-lewis/de-profundis.html ausgesprochen. Der Mensch, der nichts als Leiden hinterlässt, auch in seinem vermeintlich guten, aber zerstörerischen Tun, verflucht Gott, erhebt sich über Gott in einer Gott verachtenden Weise. Die letzte Zeile lautet: „Du bist nicht Herr, solange es Menschen gibt auf Erden.“ Im Neuen Testament (Johannes und 2 Korinther 4,4; Lukas 10,18) gibt es Stellen, in denen der Satan als Fürst der Welt, als Gott dieser Weltzeit bezeichnet wird. Bei Lewis ist es der außer Rand und Band geratene Mensch. Das finden wir auch in dem spöttischen Gedicht, in dem die Evolution (85)  https://byfaithweunderstand.com/2009/01/22/evolutionary-hymn-by-c-s-lewis/  angesprochen wird, sie möge den Menschen führen: „Lead us, Evolution, lead us / Up the future´s endless stair“– „fragt nicht, ob Gott oder Teufel ist…“. Überleben ist der Wert, den die Evolution vorgibt, das heißt: sich ausbreiten, Rivalen besiegen, was die Göttlichkeit des Menschen beweist.  

Die Gedichte sprechen eine sehnsüchtige Gewissheit aus. Es ist eine Ambivalenz erkennbar: Der Lebensweg ist äußerst schmerzhaft, es gibt gute Gedanken über Gott. Aber ist das alles richtig? Richtig ist nur, weil von Gott gegeben, die Gewissheit, dass Gott am Ende steht und neues Leben beginnen lässt. Der Glaube ist durch Zweifel groß geworden. Nicht die Glaubensemotionen sind relevant, sondern das Vertrauen, dass Gott ist und schenkt. Vertrauen auch dann, wenn er die Türen vor der Nase zuschlägt. Das Leiden Glaubender lässt den Glaubenden erkennen, wie es um ihn selbst steht – und ihn zur Reinigung führt. Aber letztlich erkennt er dann, war die Tür geöffnet – ein Licht strahlte heraus. Das Leiden wird in den Glauben hinein verwoben („A Grief Observed“). Wie ersichtlich ist nicht allein die Theodizee im Blick, sondern auch die Anthropodizee: Leiden an Gott und leiden am Menschen. Als Mensch steht man mittendrin – ist aber als Glaubender Gottes gewiss.

Das begegnet auch in diesem Gedicht. Liebe wird mit einem traurigen Unterton geschildert – ein heftiges, ein erschütterndes Gedicht über Liebe, über die Liebe Gottes und den leidenden Menschen ist „Love´s as warm as Tears“ http://yourdailycslewis.blogspot.com/2008/03/loves-as-warm-as-tears.html Liebe ist warm wie Tränen – Liebe ist Tränen, Wasser, Liebe ist wie Feuer – Liebe ist Feuer, Liebe ist wie Frühling – Liebe ist Frühling, Luft. Liebe ist hart wie Nägel – Liebe ist Nägel, Gott kommt auf die Erde. Die jeweiligen Themen werden ausgeführt: Wasser, Feuer, Luft, Erde. Die letzte Nagel-Strophe: gehämmert wurden die Nägel durch die Nerven des Einen „Er, der uns erschaffen hat, wusste, / Was er getan hat, / Als er sah (mit allem, was ist) / Unser Kreuz und Seines.“

C. S. Lewis hat viel nachgedacht und den christlichen Glauben verteidigt, kluge Gedanken, die viele Menschen inspirierten aufgeschrieben. Aber dennoch merkte er, dass das ambivalent ist. In „The Apologist´s Evening Prayer“ https://www.cslewis.com/the-apologists-evening-prayer/ bekennt er demütig, dass die Klugheit, ausgesprochen in Gottes Namen Engel zum Weinen bringt und Menschen spotten lässt. Er bittet um Befreiung durch Gott, denn er hat Gott bewiesen – aber ohne Beweise durch Gott selbst, er hat über Gott gute Gedanken gehabt, aber Gott selbst soll auf ihn herabkommen und erlösen. In der Schlusszeile heißt es: „Take fromm me all my trumpery lest I die.“