Henry Francis Lyte (1793-1847)
wuchs im Grunde ohne Eltern auf. Sein Vater verließ die Familie, nicht ohne schulisch für die Söhne gesorgt zu haben, die Mutter und sein Bruder starben. Er wurde von einem Schulleiter in der Familie aufgenommen, weil er den Jungen unterstützen wollte. Er wurde Pfarrer aber kam wohl erst um 1816 dem Glauben näher, las die Bibel und lernte von vorher abgelehnten Pfarrern predigen. Seine Frau und er hatten fünf Kinder. Er hatte großen Predigterfolg, kümmerte sich um zahlreiche Kinder und deren Ausbildung in Sonntagsschulen, was damals nicht unbedingt gerne gesehen wurde von den Dorfbesitzern; er kümmerte sich um Seeleute und deren Ausbildung, schrieb Lieder und Andachten, damit sie auf See christliche Hilfestellung hatten. Um das Gehalt aufzubessern, nahm er Schüler in sein Haus auf, wie er selbst aufgenommen worden war. Er war bewandert in Literatur und Natur (ein sehr christlich reflektiertes Blumengedicht: z.B. „Flowers“ , über die „Alpen“) wandte sich gegen die Sklaverei. Menschen seiner Gemeinde wandten sich von ihm ab, als er mit der Oxford Bewegung (s. John Keble) sympathisierte, andere wandten sich Dissenter-Gruppen zu, Glaubende, die sich von der anglikanischen Kirche abwandten. Wegen seiner anhaltenden Lungenkrankheit, lebte er häufig in Frankreich und Italien. Kurze Zeit bevor er starb dichtete er das berühmte Lied: „Abide with me“. Die bekannte Melodie wurde von William H. Monk komponiert, nachdem dessen Tochter gestorben war. Dieses wurde in dem Gesangbuch der Oxford Bewegung aufgenommen, zu dem Monk maßgeblich beigetragen hat (Hymns Ancient and Modern; neu: https://en.wikipedia.org/wiki/Hymns_Ancient_and_Modern ; als App auf Google Play usw. herunterladbar.) Neben den Gedichten hat er zahlreiche Psalmen übertragen. Wie in meiner Darlegung insgesamt, werden diese übergangen, auch wenn sie zum Teil vertont wurden.
Texte: s. Angaben und: Alex J. Webster (ed.): Heaven Will Bring Me Sweeter Rest. Selected Works of Henry Francis Lyte, Shazbaar press Birmingham Alabama 2018; Arbeitsübertragungen von mir.
Die Gedichte Lytes sind vielfach mit dem Thema Krankheit und Tod verbunden – aber immer mit Blick auf die Auferstehung. Und so weist das Herbstgedicht („Autumnal Hymn“) auf den Verfall der Menschen – und gleichzeitig (!): „Ich höre die Einladung / Und gerne würde ich aufstehen und kommen – / Der Sünder zur Erlösung; / Ein Exilierter in sein Heim: / Aber weil ich hier bleiben muss, / Darum, darum lass alles, was ich sehe, / Auf Dich hinweisen mit gläubigem Finger / Zum Himmel, o Herr, zu Dir.“ Nicht nur der Herbst mit seiner sichtbaren Vergänglichkeit, ist ein Fingerzeig auf Gott, sondern auch der Juni : Er weist ihn mit seiner wunderschönen Natur darauf hin, was für Wunder eine Verstorbene bei Gott wahrnehmen darf. (Vgl. auch: Agnes ) Entsprechend sind auch traurige Gedanken ein Fingerzeig auf Gott: „Auch in meiner dunkelsten Stimmung fühle ich, / Wie viel meine Seele gewonnen hat: / Ich weiß, dass alles notwendig war und gut, / Und sage: Dein Wille geschehe.“ Aber: „Gedanken wie diese werden kommen von Zeit zu Zeit, / Sie werden meine Stärke überraschen. / Wann werde ich bei Dir zu Hause sein, / Unerreichbar von dem Seufzen?“ Dennoch überwiegen die Zuversichtsgedichte. So beschreibt er mit eingehenden Beobachtungen den Frühling („The approach of spring“) und endet: „Oh, während ich meine, den Klang zu fassen / der schwellenden Pflanzen um mich herum, / Gewähre mir in dem Wachstum zu beweisen, Glaube, Hoffnung, Freude, Liebe!“
In all dem ist von Trennung die Rede: Menschen werden getrennt voneinander durch Tod – sie trennen einander durch religiöse Auseinandersetzungen. Die entzweite Christenheit liegt ihm am Herzen. Wenn die entzweiten Christen, die ja doch denselben Weg gehen, Gebete sprechen, die gleiche Hoffnung haben, vor Gottes Thron stehen… – wenn sie einig leben würden, würden auch Gottlose den himmlischen Vater finden.
Trennung – und sie stehen selbst in Gefahr, von Gott getrennt zu werden. Wo ist Gott? Im Gedicht über den „Unerkannten Gott“ fragt ihn seine Seele: Wo ist Gott? Er antwortet: Alles verkündet Gott, die Welten, die Blumen…; die Seele gibt sich damit nicht zufrieden, fragt weiter, und er fragt zurück: Wo ist Gott nicht? Es endet in der Bitte an den omnipräsenten Gott: „Weite mir den Blick, erhebe meine Seele / Hilf mir, anzubeten!“ Der Verstand versucht der Seele Gott zu verdeutlichen, aber letztlich muss Gott selbst den Menschen erleuchten, damit keine Trennung kommt.
Ebenso hat er Gedichte geschrieben für Seeleute, die nachts auf dem (Segel)Schiff Wache halten: „Über mir der stille Himmel / Um mich herum rauscht das Meer; / Ganz ruhig ist die Mannschaft, / ich bin, Herr, allein mit Dir.“ Es endet in einem Gebet, dass Gott das Herz mit Glauben und Liebe füllen möge „Und schenke mir hier wohlige Gemeinschaft / Mit Dir, des Seglers Freund.“ (Vgl. auch sein Gedicht: „It is I: Be not afraid )“
Die eingangs erwähnte Natur, als Schöpfung, ist auch ewig. Es liegt eine Sicherheit, Erwartbarkeit im Kommen und Gehen und Kommen – letztlich aber im Vergehen. Sicherheit wird auf den Glauben übertragen. In „Stability“ wird das vertieft. Fest ist Gottes Wahrheit, die hält ihn aufrecht, er klammert sich an Gottes Hand, an seine Verheißungen. Und wenn alles in Einklang ist, dann fließt alles, Gottes Wort erreicht die Seele in ihrem Innersten, die Verheißungen werden persönlich genommen, Gebet und Lob fließen aus der Seele, das Herz leuchtet sanft in Liebe zu Gott und Mensch.