Göttliche Liturgie: Johannes Chrysostomos
Hinweisen möchte ich nur auf die Göttliche Liturgie in der Überlieferung des Johannes Chrysostomos (349[?]-407) – die viele Dichter im Hintergrund hat: https://www.heiligenlexikon.de/Literatur/Goettliche_Liturgie_Chrysostomus.html
Die Liturgie der Orthodoxen Kirche ist das Muster für das, was ich eingangs geschrieben habe: „Diese Akzente durchbrechen die Grenzen, die Menschen einengen, sie zerreißen Fesseln, die Menschen binden. Hymnen versuchen sprachlich die Welt in ein neues Licht zu tauchen. Dieses neue Licht Gottes soll die Menschen anstecken, auf dass sie selbst von diesem Licht ergriffen zu Licht werden. Sie heben den Menschen hoch, heben sie aus dem Dunstkreis heraus in die frische Luft Gottes. Darum werden sie in einer überschwänglichen Sprache formuliert https://blog.wolfgangfenske.de/2019/09/22/christliche-hymnen-lieder-gedichte-1/ . Der orthodoxen Liturgie ist darüber hinaus eigen, dass die Feiernden gemeinsam mit den Himmlischen feiern: Der Himmel ist geöffnet.
Die Verwendung von Texten vieler – ohne Namensgebung – zu einem wunderbaren Stück zeigt, dass wir heute Grenzen errichtet haben: Mein Name soll gelten… – auf Deutsch: Copyright.
Prudentius (*348- nach 405)
Dieser christliche Dichter wird vielfach hervorgehoben – denn im Mittelalter hatte er sehr großen Einfluss. Er war von Haus aus Jurist, wurde vom Kaiser gefördert und befördert, quittierte den Dienst, als er älter wurde. Er geriet in eine Lebenskrise: Der Tod ist nah, die Seele ist verloren – er hat Gott verloren.
„Endlich soll die sündige Seele die Thorheit von sich werfen; wenigstens mit Worten den Herrn preisen, wenn es Verdienste nicht thun; mit Lobgesängen den Tag ausfüllen und die Nacht nicht aufhören, weil es dem Herrn zu lobsingen gilt; kämpfen gegen den Irrwahn, den katholischen Glauben predigen, die Altäre der Heiden stürzen, Untergang, Rom, deinen Götzen bereiten, Lieder weihen den Märtyrern, Preisgesänge den Aposteln“ (Kayser 256).
An diesem Zitat wird deutlich, dass die Gedichte, die kunstvollen Texte nicht allein der religiösen Erbauung dienten, sondern auch der scharfen Auseinandersetzung mit Gegnern.
Wie in einem meiner vorangegangenen Beiträge erwähnt, war das folgerichtig: Die Welt besteht aus Gottes Ordnung – die Sprache spiegelt diese Ordnung; darum wird die geordnete Sprache dem Chaos, den Gegnern entgegengestellt. Ordnung bekämpft Unordnung. Entsprechend wird auch in vielen – auch bisher angesprochenen Gedichten – gegen den Tod, gegen die Untugenden angegangen. Sie widersprechen der Ordnung Gottes. Die Seele, die Gott verlässt, verliert sich im Chaos des Widergöttlichen, der Untugend, des Todes. Die Tugenden: Demut statt Hochmut, Geduld statt Zorn, Keuschheit statt sexuelle Ausschweifungen, Frieden statt Streit, angemessenes Essen und Trinken statt Gier, Wahrheit statt Lüge, in reinem Sinne singen statt Streben nach unreinem Gewinn… Entsprechend sollen die Tages-Lieder helfen, ein Leben in Tugendhaftigkeit/Heiligkeit zu führen. Die Texte des Ambrosius waren eine Grundlage, auf der Prudentius vielfach baute. So wurde oben das Gedicht des Ambrosius erwähnt: Ewiger Schöpfer der Welt. Dieses wird von Prudentius aufgenommen und verdeutlicht (Ales diei nuntius).
Der Hahn und Christus werden verbunden, ebenso wird gesagt, dass Jesus den Petrus vor dem Verrat vor dem Hahnenschrei gewarnt hat, und: beim Hahnenschrei – Sonnenaufgang – ist Jesus auferstanden. Seit der Auferstehung Jesu gilt Neues, gilt es, nicht mehr zu schlafen, das heißt, es gilt nur noch, sich Gott gemäß zu verhalten. Schlafen wird Metapher für gottloses Treiben – wachen wird Metapher dafür, Gottes Willen zu tun: „Hier ist die Wahrheit: wachen wir!“ Alles schlechte Handeln wird am Morgen, an dem Christus kommen wird, vergehen – ist „eitel Nichts!“ (Übersetzung: Gesänge der Heiligen)
Ähnlich das Abendlied. Auch in dieses werden Reflexionen eingewoben: über gute und schlechte Träume, über die Fähigkeit guter Träume, wie sie in biblischen Texten genannt werden, es wird der praktische Tipp gegen schlechte Träume gegeben: gutes Leben am Tag und: „Bezeichne… / Dein Herz und deine Stirne / Mit Christi Kreuzes Zeichen. / Das Kreuz verscheucht die Laster, / Verscheucht die dunklen Mächte; / In diesem Zeichen sicher / Kann nie die Seele wanken.“
Zu dieser Ordnung Gottes, die oben genannt wurde, gehört es auch, dass Gott den Verstorbenen von der Erde zurückfordern wird, denn Gott denkt an seine Menschen, sein Ebenbild vergisst er nicht. Die Seele steigt auf, der Körper wird mit ihr vereint am Ende der Zeiten (Iam moesta quiesce querela)
An den wenigen Beispielen wird deutlich, dass Prudentius stärker die Glaubenspraxis im Blick hat, damit verbunden auch die Seelsorge. Die metaphorische Sprache sprengt die Sprachgrenzen.
Augustinus (354-430)
Von Augustinus haben wir sehr viele Werke überliefert – aber wir haben nur ein Lied, das seinen Gegnern vorwirft, Unfrieden zu stiften. Er ermuntert das Volk jeweils nach ein paar Zeilen – die alphabetisch (A-B-C…) geordnet sind – zu singen: Omnes qui gaudetis pace, modum verum iudicate: Alle, die sich über Frieden freuen, urteilt, was wahr ist. Das Lied schließt: „Wir haben euch, Brüder, vom Frieden gesungen, wenn ihr es vernehmen wollt….“ https://www.augustinus.it/latino/salmo_contro_donato/salmo_contro_donato.htm
Er hat zudem sehr schöne Texte, die aufgrund der Rhetorik den Flair von Gedichten haben, wie das berühmte: Domine Iesu, noverim me, noverim te aus den Selbstgesprächen. In diesem enden die kurzen Sätze des Gebetes nach dem Eingangssatz 20 Mal in „te“: „Dich“. Angesprochen ist der Herr Jesus (Domine Iesu), mit der Eingangsbitte, dass er mich mich selbst und Jesus erkennen lässt. Wie er die Selbsterkenntnis mit der Jesus-Erkenntnis verflicht, ist spannend zu sehen. Der neuplatonische Weltgeist wird zu einem DU. Auf dieses DU (Jesus) wird hier alles Gewicht gelegt. Im späteren Werk wird durch dieses DU der Geist des Menschen als „Ich“ erkannt. Des Menschen Ich geht nicht auf in dem neuplatonischen Weltgeist. Der Mensch wird als Individuum wichtig.
Caelius Sedulius (+ um 450)
In seinem ersten Buch über das Passa beschreibt Caelius Sedulius heidnische Werke – und stellt die Frage, warum er anders als die Heiden Gott besingt. Dieser habe ihm Seele und Herz gegeben. Im Weihnachtshymnus beschreibt er Gottes Menschwerdung in Jesus Christus http://hymnarium.de : von der Geburt bis zum Tod und zur Auferstehung – mit Schwerpunkt auf die Wundertätigkeit https://de.wikipedia.org/wiki/A_solis_ortus_cardine :
… Durch Wundertaten beglaubigte er, / dass er Gott zum Vater hat….
Kommt, lasst uns mit wohlklingenden Hymnen / alle singen: Unterworfen / ist die Hölle durch den Triumph Christi, / der als Verkaufter uns losgekauft hat.
Dieses Gedicht ist wohl das erste, das versucht, durchgehend den Reim zu verwenden. Was den zitierten Vers betrifft: Ymnis, venite, dulcibus / omnes canamus subditum / Christi triumpho tartarum, / qui nos redemit venditus. Zudem ist es ein ABC-Gedicht (Abcdarius)
Magnus Felix Ennodius (473-521)
In seinem Pfingstlied (Et hoc supernum munus est) besingt er, dass das Wort Gottes, in dem alle Sprachen vereint sind, Herzen aller Völker erschüttert: „Auf so viel wegen eilt das heil / Der welt zur welt, die widerstrebt.“ http://hymnarium.de Bildhaft beschreibt er den Sieg Jesu über den Tod: Die Kette liegt in Fesseln / die Schlange verschlingt ihr Gift, / die Sanftmut zerschmettert den Stolz,“ das Lamm besiegt den Löwen. (Iam Christus ascendit polum). In Nigrante tectum pallio verbindet er das dunkle Tuch der Nacht und den Schlaf mit Tod und bittet Christus um Schutz vor Untugend und ewigem Untergang.
Venantius Fortunatus (ca. 530-605)
Venantius wurde am Ende eines bewegten Lebens Bischof von Poitiers und wird als Übergang von der Antike zum Mittelalter angesehen. Er war der letzte große Latein-Dichter und war der Größte in dem Reich der Merowinger. Er war literarisch sehr aktiv, schrieb zahlreiche Gedichte (als Dank für seine Gastgeber), Hymnen, Auslegungen zum Vater unser und dem Apostolischen Glaubensbekenntniss und schrieb Biographien über Heilige, so auch über das Leben der Heiligen Radegundis. Venantius kannte diese Frau. Sie war Tochter eines Königs aus Thüringen, Kriegsbeute des Merowingerkönigs Clothar I., zog sich ins Kloster zurück und widmete sich karitativer Arbeit. Sie regte bei Venantius ein Buch über Martin von Tours an. Er schrieb über seine Mosel- und Rheinfahrt. Eines seiner Figurengedichte ist hier zu finden: http://www.signaturen-magazin.de/venantius-fortunatus–figurengedicht.html Ein anderes s.: https://bar.wikipedia.org/wiki/Venantius_Fortunatus
In O gloriosa virginum besingt er Maria, die es durch die Geburt Jesu ermöglicht habe, dass Menschen wieder in das Sternenzelt hineingehen können. Das Wort ist der Same, den Marias Ohr empfängt und im Herzen gebiert. In Quem terra, pontus, sidera – möglicherweise von Venantius – wird vertieft, dass der, der alles erschaffen hat und erhält, sich in Marias Körper einschloss, um als der von Völkern Ersehnte geboren zu werden. In Pange, lingua (Singe, Zunge) wird besungen, dass Jesus Mensch geworden ist (weint als Kind in der Krippe; gewindelt, zusammengeschnürt, Hände und Füße), dass das Sterben Jesu den Sieg bedeutete. Der Kreuzestod wird intensiv besungen – indem das Holz, der Baum hervorgehoben wird: „Hoher baum, beug deine äste, dehne weit dein kernholz aus / Und erweiche so die härte, die dein ursprung dir verlieh, / Dass des höchsten königsglieder du gelind am stamme dehnst.“ Das Kreuz ist das Rettungsholz im Schiffbruch der Welt. Es ist Zeichen des Sieges. (Texte: http://hymnarium.de/ ) Auch in Vexilla regis prodeunt wird der Kreuzestod Jesu besungen – sein Leiden bedeutet: Herrschaft – das Kreuz ist kein Todeszeichen der Schande, es ist geschmückt mit Christus – des Königs Purpur https://de.wikipedia.org/wiki/Vexilla_regis : Die Anfangszeilen weisen auf eine Prozession: Die Standarten des Königs gehen voran; / es blitzt des Kreuzes Geheimnis,…
Deutlich wird in diesen Leidenszeiten, in denen die Stämme Europas in Aufruhr waren, dass das Thema „Tod am Kreuz besiegt den Tod“ wichtig geworden ist. Es wird eine große Verehrung Jesu am Kreuz deutlich, weil der Tod als Folge grausamen Sterbens Jesu überwunden wurde. Die Zunge muss aufgefordert werden, dieses unvorstellbare Geheimnis zu besingen: Das Sterben Jesu bringt Leben. Im Kampf wurde der Sieg errungen. Die Grenze des Todes wurde durchbrochen – die Sprache selbst wird dazu verwendet, diesen unfassbaren Durchbruch Wort werden zu lassen.
Venantius wurde übrigens Christ, weil er durch heiliges Öl, das Martin von Tours geweiht war, vom Augenleiden geheilt wurde. Darum ging er auch, als die Lage in Norditalien sehr turbulent wurde, nach Frankreich.
Romanos Melodos (485-562[?])
Auf diesen berühmten christlichen Sänger der Ostkirche sei nur hingewiesen. https://www.heiligenlexikon.de/BiographienR/Romanos_Melodos.html
Hingewiesen sei noch auf Commodianos (3./5. Jh?), der viele umfangreiche Lehrgedichte geschrieben hat.