Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)
Er wurde Professor für Philosophie, war aber zeitlebens kränkelnd – nichts desto trotz war er äußerst erfolgreich und mit allen möglichen Größen seiner Zeit bekannt. Seine Lehre über die Moral hat viele beeinflusst, beeinflusst hat er auch die Literatur im Land. Der Philosoph der Aufklärung klärt darüber auf, dass der Verstand des Menschen begrenzt ist. Seine Vorrede zu den Gedichten ist lesenswert – hier finden sich auch viele Texte: https://de.wikisource.org/wiki/Geistliche_Oden_und_Lieder
„So jemand spricht, ich liebe Gott / und hasst doch seine Brüder / der treibet mit der Wahrheit Spott / und reißt sie ganz darnieder“ (EG 412) ist stärker moralisch ausgerichtet. Wie auch 1878: 76: „Erinnere dich mein Geist“ – dort heißt es: „Nie komm es mir aus meinem Sinn, / was ich, mein Heil, dir schuldig bin, / damit ich mich in Lieb und Treu / zu deinem Bilde stets erneu.“ Die Liebe Gottes treibt zum Handeln (1878: 127; „Wie groß ist des Allmächtgen Güte“). Schön spricht es das Lied „Ich komme vor dein Angesicht“ (1878: 191) aus:
„Laß deines Namens mich zu freun, /
ihn stets vor meinen Augen sein; /
laß meines Glaubens mich zu freun, /
ihn stets durch Liebe tätig sein.“
Es geht um die Heiligung. So heißt es in dem Lied „Ich komme, Herr und suche dich mühselig und beladen“ (1878: 225): „Laß mich den Ernst der Heiligung durch eine wahre Besserung mir und der Welt erweisen.“ Intensiv wird die Heiligung in dem Lied angesprochen: „Gib mir o Gott, ein Herz, / das jeden Menschen liebet“ (1878: 286). Auch die Wollust ist Thema: „Der Mensch sinkt unter ihrer Bürde / zur Niedrigkeit des Thiers herab; / er schändet und entehrt die Würde, / die ihm sein weiser Schöpfer gab.“ (1834 [?]: 643). Er thematisiert auch das Gewissen, häufig das Thema Glück, Besitz usw. Ein Fazit:
„Lebe, wie du, wenn du stirbst, /
wünschen wirst, gelebt zu haben.“ (1834[?]: 838)
Andere Lieder rühmen Gottes Handeln, so das Weihnachtslied „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“ (EG 42) – in dem sich die Strophe befindet:
„Wenn ich dies Wunder fassen will, /
so steht mein Geist vor Ehrfurcht still, /
er betet an und er ermisst, /
dass Gottes Lieb unendlich ist.“
Die Menschwerdung Gottes in Jesus ist unverständlich – dennoch wird sie in aller Welt bedacht. Das Bedenken des Leidens Jesu bedeutet, sich „in das Meer der Liebe zu versenken“ – und er reflektiert auch dieses Ereignis, das dem Verstand spottet als Weisheit Gottes: Das Kreuz ist im Tode Fried und Freude (EG 91). Jesu Auferstehung „verklärt mich in sein Licht“. Sechs Mal betont er seine Zuversicht: „Jesus lebt!“ (EG 115). Das ist der Tenor vieler Lieder, die hier nicht weiter vertieft werden: Die gesamte Biographie und über das Sterben hinaus ist von Gottes Handeln an Gellert – und durch das Singen auch an allen, die die Lieder singen – bestimmt.
Nicht allein das Handeln Jesu wird besungen, sondern vielfach Gott als Schöpfer. Das Gedicht „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ wurde häufig vertont, ebenso: „Du bist´s dem Ruhm/Dank und Ehre gebühret“. Im erstgenannten Lied verkündet die Natur Gott – und Gott spricht durch sie: „Ich bin dein Schöpfer, bin Weisheit und Güte, / Ein Gott der Ordnung, und dein Heil“. Im Lied „Wenn ich o Schöpfer deine Macht“ (EG 506) geht es darum, die Taten des Schöpfers anbetend zu überlegen. Die Natur predigt auch hier Gott, aber es geht über das genannte Lied hinaus: „Der Mensch, ein Leib, den deine Hand / so wunderbar bereitet, / der Mensch, ein Geist, den sein Verstand / dich zu erkennen leitet“ – der Mensch selbst ist der Beweis der Güte und Größe Gottes. Aber der Verstand kann Gott nicht von sich aus erkennen, wie er in dem Text ausspricht „Gott, deine Güte reicht so weit“: „Ich bitte nicht um Überfluß /
Und Schätze dieser Erden. /
Laß mir, so viel ich haben muß, /
Nach deiner Gnade werden! /
Gib mir nur Weisheit und Verstand, /
Dich, Gott, und den, den du gesandt, /
Und mich selbst zu erkennen.“
Die große Liebe Gottes vermag kein Mensch sich ausdenken („Gedanke, der uns Leben gibt“). Aber ein Mensch kann sich der Güte Gottes verschließen, es wird „mit verhärtetem Gemüthe den Dank erstickt / der ihm gebührt“ (1878: 127.) „Der Spötter Strom reißt viele fort“ – „Der Läst´rer Rotte wagt´s, o Gott! / Mit frechem, ausgelass´nem Spott, / den Sohn, den Mittler, den zu schmäh´n, / durch den sie wurden und besteh´n“. Er bittet: „Ach! Wären sie dir auch versöhnt, / sie, deren Spott dich, Herr! verhöhnt!“ (1834 [?]: 270)
„Gott ist mein Lied“ (EG 598) – mit diesem Satz kann man das dichterische Werk Gellerts beschreiben – und ohne das Wort Gottes, wüssten wir nichts („Gott ist mein Hort“; 1878: 176).
Luise Adelgunde Victorie Gottschedt (1713-1762)
Sie war eine Schriftstellerin, die ihrem berühmten Mann, Johann Christoph Gottschedt, nicht nur half, sondern sich auch von ihm schriftstellerisch emanzipierte und ihren eigenen Standpunkt entwickelte, entsprechend sehr viele Ehrungen bekam.
In den geistlichen Oden schreibt sie unter anderem in einem Gebet, in dem sie ihr Leben Revue passieren lässt: „Du bist der Meister meiner Zeit, / Du hattest ja von Ewigkeit / Mein Wesen schon beschlossen; / Drum, was ich bin, das ist von dir / Und deiner Huld entsprossen. // Von dir empfing ich den Verstand: / Welch ungemeines Unterpfand, / Das mich zum Menschen machet!“ Weil Gott als Vater sie so gut behandelt, gehört es sich, ihn zu lieben. „O! Vater, lenke meinen Sinn, / Das Lob, was ich dir schuldig bin, / Mit Freuden abzutragen. / Ich weis, du wirst mir deine Kraft / Doch nicht hierzu versagen.“ Eine Menge weiterer Oden, Elegien werden genannt: Hier
Anna Nitschmann (1715-1760)
Sie war eine sehr selbständige und aktive Frau in der Brüdergemeine. Ihre Familie war mit ihr nach Herrnhut geflohen. Sie beschäftigte sich mit Mystikerinnen (z.B. Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg) war Erzieherin von Mädchen, wurde zur Vorbereitung der reise von Zinzendorf in die USA vorausgeschickt, lernte Englisch, hielt in den USA Reden, auch vor Quäkern, reiste nach der Rückkehr viel durch Europa. Nachdem die Frau von Zinzendorf gestorben war, heiratete sie Zinzendorf, behielt ihren Namen und zog nicht in das Haus von Zinzendorf.
In „Gemeinschaftsleben mit Jesu“ wird ihre Selbständigkeit deutlich. Die erste Strophe lautet: „In den ersten Gnadentagen / Wird man von dem Lamm getragen, / Endlich muss man lernen wagen, / Selber seinen gang zu gehn.“ Diese Strophe ist bemerkenswert, weil sie die Selbständigkeit reflektiert. Sie idealisiert nicht die Brüdergemeine: „Ist gleich deine Kreuzgemeine / Elend, unansehnlich, kleine, / Mangelhaft, ist sie doch deine, / Und das ist genug für sie.“ Auch das eine bemerkenswerte Strophe. Darauf kommt es für die Gemeinde an: Zu Jesus Christus zu gehören. Und dieses allein Jesus gehören führt sie zur Selbständigkeit. In „Herr Jesu Christ, mein Leben“ schreibt sie: „gnug, daß du mir mein Alles bist“ (Brüdergemeine 416).
Brüdergemeine: In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Kirchenlieddichterinnen Johanna Magdalene von Gersdorf (1706-1744) und Henriette Maria Luise von Hayn (1724-1782) hinweisen. Die Erstgenannte dichtete unter anderem: „So ruht mein Muth in Jesu Blut und Wunden“ und Letztgenannte hat das berühmte Lied „Weil ich Jesu Schäflein bin“ und das Osterlied „Ave zum Heraustritt aus der Kammer“ (Brüdergemeine 205)
Esther Grünbeck (1717-1796) (Magdalena Augusta Kirchhoff)
Sie ist zusammen mit Prinzessinnen am Hof aufgewachsen. Kam in Kontakt mit der Herrnhuter Brüdergemeine, somit auch mit Zinzendorf, und setzte sich für Kinder und Frauen ein. Sie war jüdischer Herkunft und somit auch aktiv in der Judenmission und reiste viel herum. Nachdem zwei ihrer Männer und ihr Kind gestorben war, kümmerte sie sich intensiv um Witwen der Brüdergemeine. In der Brüdergemeine wurde viel gesungen und gedichtet, und Zinzendorf regte viele zum Dichten an.
Sie besingt in „Gnade ist ein schönes Wort“ (Gesangbuch 1839: 381 [vollständig: hier]) die Gnade Gottes, die Glaubende „säuget“. In „Dem blutgen Lamme“ besingt sie die große Liebe Jesu, der sich für Sünder hingegeben hat (Gesangbuch 1839: 417; hier ). Weil Gott der Friedenskönig ist, so soll die Gemeinde auch gemeinsam handeln (1839: 1063). In dem Band von Bers finden wir einen Text, der von Eva Maria Spangenberg verändert wurde: „Nun hab ich mein Kleid“. Es ist das schönste Kleid, das man nur haben kann. es ist das Kleid, mit dem Jesus die Seinen bekleidet. (Siehe auch: https://hymnary.org/person/Grunbeck_Esther )
Susanne Katharina von Klettenberg (1723-1774)
Sie ist eine Verwandte von Goethe und er wurde auch von ihr eine Zeitlang gepflegt. Goethe spricht von ihr hochachtungsvoll und hat auch manches von ihr übernommen. Sie war, wie Goethes Mutter auch, sehr fromm, er nannte sie „schöne Seele“. Sie stand auch der Brüdergemeine nahe. Die Texte, die ich als Grundlage habe, stehen: hier
Sie besingt, dass Jesus ihr alles ist und besingt die Bibel: „Der, der meinen Geist entzückt, / Den ich itzo noch nicht sehe, / Hat aus der gestirnten Höhe / Mir die Zeilen zugeschickt.“ – ohne allerdings in den Anfangszeilen zu verschweigen, dass sie ein „Brief von sehr gelehrten Händen“ ist, also die Spannung – Wort Gottes gesprochen von Menschen – nicht aufhebend. Und so beschreibt sie in „Erscheine mir im Hirtenkleide“, dass nichts sie von Gott trennen kann – außer ihr Wille. Das heißt: der Mensch kann sich in seiner Freiheit von Gott abwenden. Darum bittet sie: „Herr Jesu, fessle meinen Willen, / Bind ihn unendlich an Dich; / Kann etwas die Begierde stillen, / Das außer Dir, das ohne Dich?“ Sie gibt die Antwort: „Ich habe Deine Kost geschmecket, / Ein Tröpflein Deiner Süssigkeit / Hat schon den Wunsch in mir erwecket / Nur Dein zu seyn in Ewigkeit.“ Und diese erwartete Ewigkeit besingt sie in „Dorthin!“: „Mich überfällt ein sanft Vergnügen / Von göttlich still und starken Zügen / nach jener frohen Ewigkeit.“ (Pressel)
Kleiner Exkurs: Sterben und Tod
Es sei darauf hingewiesen, dass wenige Jahrzehnte später die Dichterin Dorothea Charlotte Eliesabeth Spangenberg [1755-1808] ganz romantisierend nicht mehr das Sein bei Christus nach dem Sterben betont, sondern in „Grabesruhe“ / „Ruhig ist des Todes Schlummer“: „Kühles Grab, o wenn nimmst du / Mich in deine stille Ruh?“ – Es ist nicht mehr ein Schwelgen in der Herrlichkeit der Liebe Christi, sondern ein Kokettieren mit dem Gedanken des Morbiden, des Tödlichen – was auch Anklang gefunden hat, da der Text vielfach vertont wurde https://www.volksliederarchiv.de/ruhig-ist-des-todes-schlummer-grabesruhe/ . Mehr ist mir von ihr leider Zurzeit nicht bekannt.
Sophie Albrecht [1757-1840] zeigt eine andere Spur: In dem Gedicht „Am Grabe eines Mädchens, das sich selbst den Tod gab“ wird beschrieben, wie das Mädchen ohne „Kreutzgen“ bestattet wurde – aber: „Doch auch hier, auch hier schläfst du im Frieden / Und ein Gott der Liebe ruft auch dich / Hin, wo Tod und Liebe sind geschieden, / Und die Treue lohnet ewiglich“ bzw. im „Morgenlied“: „Tauche deine goldnen Flügel, / Erden Licht! ins Schatten Meer, / Streu um unsre Todenhügel / Nacht das tiefste Dunkel her, / Bis in Edens Sonnenwälzen / Unsrer Gräber Fesseln schmelzen.“ Im Text „Auf dem Kirchhofe“ sind die Toten in der Unterwelt „Der Friede wohnt im stillen Schattenreich“ http://www.wortblume.de/dichterinnen/mognlied.htm Wir befinden uns hier im Übergang: Es sind noch christliche Züge vorhanden, haben aber schon einen anderen Klang: Die Begriffe halten nicht mehr, was sie versprechen. Es sind Worte. Allerdings ist bei ihr noch mehr Inhalt – sind also keine ganz leeren Worte, wie der Auszug aus dem „Lied“ vermuten lässt: „Das Leben war mir wonneleer, / Grab war mein schwarzes Ziel. // Da schickte Gott mir Frieden her, / Und machte leicht die Brust. / Lob ihn! – wo ist ein Gott wie er? / Uns helfen ist ihm Lust. http://www.wortblume.de/dichterinnen/lied.htm
Julie Roquette (1763-1823) hat „Bei einer Beerdigung in der Kirche“ den Gedanken, dass sie bei ihrem Tod in den kühlen Schoß der Mutter Erde sinkt, da schläft es sich gut, „da schmücken holder Blümchen viel / Den Hügel liebevoll“. Veilchen mit süßem Duft blühen aus ihrer Asche. https://nddg.de/gedicht/11130-Bei+einer+Beerdigung+in+einer+Kirche-Roquette.html In diesem Gedicht wird der Schwere mit einer großen bildlichen Leichtigkeit begegnet.
Zu Karoline Günderrode (1780-1806) s. dort.
Zu Theresa von Artner (1772-1829) s. dort.
Elise Bürger (1769-1833) hat eine Mischung zu bieten: „Könnt ich doch ins kühle Grab mich legen, / Ruhen in der Erde Schoß, / Bis mir einst mit Gottes Vater-Segen / Tritt des Lebens Engel hold entgegen, / Rufend mich zu einem schönern Los?“ „Sehnsucht nach Ruhe im Grabe“ (https://gedichte.xbib.de/B%FCrger%2C+Elise_gedicht_010.+Sehnsucht+nach+Ruhe+im+Grabe.htm )
Johann Andreas Cramer (1723-1788)
Cramer hat viele Lehr- und Predigtlieder verfasst. Es werden zum Beispiel biblische Texte ausgelegt. In diese Auslegung werden Aspekte der Zeit einbezogen, so die Frage des Eides; als einem, der die Ausbildung von Lehrern am Herzen lag und eine Ausbildungsstätte initiierte, hat er unter seinen über 400 Liedern auch ein Gedicht geschrieben, das Lehrer lobt und damit indirekt Verhaltensanweisungen gibt: „Dein ist das Licht, das uns erhellt; / von dir das Amt der Lehrer. / Gott! Welch Geschenk für deine Welt… // Welch großes Amt, Betrug und Wahn / und Laster zu bestreiten, / und Seelen auf der Wahrheit Bahn / zu dir, o Gott! Zu leiten! / Wie edel aber auch wie schwer! / Laß alle Lehrer täglich mehr / des Amtes Würde fühlen.“ „An Sanftmuth und an Nachsicht reich / Laß sie die Schwachen tragen, / und, keimt der Same nicht sogleich, / nicht an der Frucht verzagen /… Gib das nicht nur ihr Unterricht, / daß uns auch ihres Beispiels Licht / auf deine Wege leite.“ (1834: 295) Beständigkeit liegt ihm am Herzen, „Denn gleichen selbst die feurigsten Entschlüsse / nur Irrlichtfackeln, die durch Finsternisse / schnell in die Höhe schimmern und vergehen, / wie sie entstehen.“ (1834: 175) Das kennt man heute genauso.
Zu der massiven Auseinandersetzung in seiner Zeit mit den heftigen Kritikern des christlichen Glaubens setzt er sich – wie schon Gellert und andere – auch auseinander:
„Schäme seines Worts dich nie vor den Frevlern, vor den Spöttern; /
wenn sie ihn verschmähn, wenn sie sich und ihren Witz vergöttern. /
Was vermag der Lästrer Spott wider Jesum, wider Gott?“ …
„Und der Spötter Witz und Hohn könnte je dein Herz verführen, /
deinen Himmel und den Lohn / deines Glaubens zu verlieren? /
Nein, o Christ, nein, wanke nie; /
fleh um Rettung auch für sie.“ (1878: 301)
(Kritik an den Spöttern auch bei Johann Christoph Gottsched [1700-1766]: „Die Nothwendigkeit und Pflicht theologischer Lehrer“: „Ich höre, wie mich dünkt, der frechen Mäuler Wort, / Sie ruffen: Blinde Welt! Was willst du fort und fort / Dem matten Christenthum mehr neue Seulen schnitzen, / Und das geschwächte Reich des Unverstandes stützen?“ usw. Dagegen: „Ein Christ muß die Vernunft und Offenbarung lieben, / denn beydes hat ihm Gott zur Richtschnur vorgeschrieben.“ … „Die Vernunft ficht selber für die Christen.“ (Zitiert nach: theologische Lehrer [vgl. auch: „Daß ein heutiger Gottesgelehrter auch in der Vernunft und Weltweisheit stark seyn müsse“])
Johann Peter Uz (1720-1796)
Selbst wenn er Themen anspricht, die ihn bewegen, zum Beispiel seine Nöte, so klingen manche dieser Lieder doch eher wie ein Zusammenfügen von traditionellen Formeln. Wenn man meint, dass es den Bösen gut geht, einem selbst aber schlecht, wird man (ganz mit der alten biblischen Weisheit, die das Buch Hiob schon hinterfragt) den Sünder fallen sehen. Wenn es einem schlecht geht, wird man Tugendreich und stark. Aufklärung pur: Die wunderbare Ordnung, alles ist gut. Jesus ist ein vom Himmel kommender Lehrer. (Lieder: 1834: 67, 78, 124, usw.)
In dem Gedicht „Mein Heiland, tief im Staube bet´ ich als Gottes Sohn dich an“, beschreibt er die Menschwerdung dessen, der Himmel und Erde gemacht hat. „Werth bist du, Preis und Ruhm / von aller Welt zu nehmen; / sie ist dein Eigenthum.“ Es kommen diejenigen in den Blick, die nicht glauben: „Sohn Gottes! Ich verehre, / ich bete dich in Demuth an. / Beschäme und bekehre, / die dir noch nicht sind zughetan! / Die deinem Wort nicht glauben, / und dir der für sie litt, / die schuld´ge Ehre rauben, / theil´ ihnen Gnade mit, / dich gläubig zu erkennen, / und, welche dich erkannt, / die laß von dir nichts trennen; / erleuchte jedes Land.“ (1834: 119) Der Mensch sperrt sich gegen die Ordnung Gottes, wenn er sich verweigert, Gott die ihm gebührende Ehre zukommen zu lassen, sich weigert, sich unter Gott zu stellen. „Wer wahre Weisheit liebt, / der liebt auch den Gedanken: `mein Heil, mein Fels ist Gott, und wenn auch Welten wanken.“ (1834: 67)
In seinem Umfangreichen Gedicht „Theodicee“ wendet er sich unter Berufung auf Leibniz gegen die `stolzen Thoren´, die in `wilder Irre laufen´, gegen die Spötter „die vor dem Unverstand, o Schöpfer! Dich verklagen“. Die Antwort auf die Theodizee-Frage: Der kleinsten Fliege Glück ist dem Schöpfer so gelegen wie Roms Geschick – alles ist weise geplant. Menschen, die zwischen Wurm und Engel stehen, haben einen freien Willen, wenn der sich verfehlt, tun sie einander Böses – die Tugend verlassen führt zu Übel: „Denn alles Böse quillt bloß aus des Menschen Brust“. Wenn etwas in der Natur schlimm ist, dann nur, weil man es nicht ganz überblicken kann, denn „Die Welt verändert sich, mit immer neuer Pracht“. Aber man darf nicht nur auf das schauen, was sich auf der Erde zusammenbraut, sondern der gesamte Kosmos ist weise geordnet. Und der Mensch? „Durch Tugend soll er sich aus dunkler Niedrigkeit / Zu höhern Glanz sich erheben, / Unsterblich seyn, nach kurzem Leben.“ Er hat seine Weisheit allerdings nicht von Leibniz, er adelt Leibniz nur, denn, so beginnt der Text: „Mit sonnenrothem Angesichte / Flieg ich zur Gottheit auf! / Ein Strahl von ihrem Lichte / Glänzt auf mein Saitenspiel, das nie erhabner klang“ – ein sehr poetischer Beginn – und eben auch: Die Weisheit hat er von Gott selbst – aber nur ein Strahl vom Licht Gottes ist in dem Text erkennbar. Denn der Mensch kann nicht alles überblicken.
Den Text „Gott im Frühlinge“ (Kemp 325) beendet er: „Du hast mit Schönheit, die entzückt, / Das Antlitz der Natur geschmückt, / O aller Schönheit reiche Quelle! / Dir geht kein Wesen vor! / Die reinste Liebe schwelle / mein ganzes Herz zu dir empor!“
Diese letzten Zeilen zeigen, dass die eingangs beschriebene Floskelhaftigkeit nicht immer dominiert.
Zur Biographie ist zu sagen, dass er ein finanziell unabhängiger Dichter war, und am Landgericht tätig.
Anna Luisa Karsch (Karschin) (1722-1791)
Schreibt ein Gedicht „An Herrn Utz“: „Du, der, vom Weine berauscht, die Lust der Erde besungen, / Mir gab Apollo kein lyrisches Spiel / Bespannt mit Saiten von Gold, doch sind mir Lieder gelungen, / Süßklingend sang ich der Seele Gefühl.“
Anna Luisa Karsch hatte eine heftige Kindheit. Ihr Vater starb 1728. Die Mutter gab sie einem Verwandten, der ihr viel beigebracht hat, was sie dankbar erwähnt. 1732 holte die Mutter sie zurück, als Dienstmagd für die Stiefgeschwister und die Kühe. Sie heiratete 1738, bekam vier Kinder, der Mann trennte sich von ihr. Sie wurde 1749 mit einem anderen verheiratet, der nicht wie der erste gewalttätig aber Trinker war. 1761 konnte sie sich mit Hilfe anderer von dem Mann lösen und wurde aufgrund ihrer Dichtkunst, in der sie Familienmitglieder und Alltägliches besang und reflektierte, immer bekannter und wurde letztlich gerühmt und stand mit vielen Berühmtheiten in Kontakt. Ihre Gedichte sind hier zu finden: http://www.zeno.org/Literatur/M/Karsch,+Anna+Louisa/Gedichte
Das Trostgedicht („An Professor Sulzer, über den Tod seines Kindes“) gibt vielleicht in etwa das Motto ihres Lebens wieder: „Hier in der Welt voll Unruh, voller Sorgen / Bleibts vor dem trüben Blick des Sterblichen verborgen, / Warum Gott so verfährt; / Dort aber, wo vor hundert tausend Sonnen / Die Finsternis nie einen Sitz gewonnen, / Ist alles aufgeklärt.“ In „Eine Rede zu Gott über die Kürze der Zeit“ beschreibt sie, wie gedankenlos sie gelebt hat und bittet, bewusster leben zu können. Das heißt aber nicht, dass sie nicht häufig an Gott denkt („An Gott als sie bei hellem Mondenschein erwachte“): „Wenn ich erwache, denk ich dein! Du Gott…“. Sie besingt Gott als Schöpfer, die Vergänglichkeit des Menschen und schließt: „Ich lese, großer Schöpfer! Dich / Des Nachts in Büchern, aufgeschlagen / Von deiner Hand. O lehre mich / Nach deinem Lichte fragen! // Sei meiner Seele Klarheit, du / Regierer der entstandnen Sterne! / Und blicke meinem Herzen zu, / Daß es dich kennen lerne!“ (Zitiert nach Kemp) In dem „Morgen-Gesang an ihre Seele“ weiß sie: „O fühle deine Würde ganz, / Unsterbliche! Dir gab der, den die Sterne loben / Ein Theil vom himmlischen Glanz.“ Viele Gedichte sprechen Gott an, so im „Lobgesang nach tödtlichem Schmerz unter meinen Kindern gesungen“ (1789): „Meine Gefühle des Dankes, die sollen ihm glühen, / Bis mir die lobende Seele vom Munde wird fliehen“.
Für Karsch spielt der Gott, der ihr durch den christlichen Glauben verkündet wurde, eine große Rolle – die anderen, die römischen und griechischen Götter, die in der Zeit in der Dichtung modern wurden, sind „Erdengötter“ („An Gott bei dem Ausruf des Friedens“); in dem Gedicht „Die Allmacht und Güte Gottes“, bittet sie darum, dass Gott den „Zank und Tod“ dem ewigen Rebelle in der Hölle schicken möge.
Ich möchte kurz noch das Gedicht ansprechen, in dem sie Gott, ihren Schöpfer dankt („An den Schöpfer„). In diesem Dank greift sie das Hiobbuch auf – denkt an die Schöpfung der gesamten Welt, der Menschheit auch und dann: „Jahrtausende vergingen, kurze Tage / Vor deinem Angesicht! dann kam mein Tag, und du gabst mir die Hülle, die ich trage / Um diesen geist von dir geatmet, zu! // Von deinem Munde, der du mit einem hauche / Gebürge bläset tief herunter in das Meer, / nahm ich dies leben zum gebrauche, / Zu deinem Ruhm; Herr! mein Gesang sei er!“ Kann man größer von dem Menschen als Individuum, von sich selbst sprechen? Die Kleinheit des Menschen ist seine Grenze – sie wird nun gesprengt, der Mensch wird wahrhaft groß in die gesamte Schöpfung eingeordnet. Feuerbach meinte später, die Religion mache den Menschen klein. Die Karschin kann er dabei nicht im Blick gehabt haben. Und Kaspar David Friedrich malte später den Menschen klein. Diese Gesinnung der Karschin hatte er auch nicht.
Hingewiesen sei noch auf das „Lied an gefangene Lerchen“. Die Lerchen hat einer gefangen, „Der keinen Gott erkennt und ehrt.“ Sie besingt, wie sehr Lerchengesang die Menschen beglückt, und schließt: „Ihm will ich singen hohe Lobgesänge! / selbst meine Thränen sind sein Lied“.
Die Texte gehen zu Herzen, sie kommen von Herzen und darum, so wird hier gesagt, hat Carl Philip Emanuel Bach auch ihren Text „Die letzten Leiden des Erlösers“ vertont: Programmheft
Anmerkung: Karsch nahm zeitweise ihre Enkeltochter, die spätere Dichterin, Helmina von Chézy (1783-1856) auf. Diese hat soweit ich sehe kaum christliche Texte verfasst. Allerdings ein Gedicht „Lerchen-Gesang“. Darin schreibt sie, dass sie die Lerche anspricht: „O sprich, warum dein einfach Lied / Mit Ruhe meinen Sinn umzieht? / >Ich singe Gottes Liebe!< / Und kennt er, stillt er meine Pein? / >Er denket dein, bist auch ja sein!<„
Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)
Der große Klopstock – der auch Goethe beeinflusste und dann im Schatten Goethes langsam verschwand. Er ist in einem pietistischen Elternhaus groß geworden, studierte Theologie, lebte dann aber als Dichter. Knapp gesagt: Der Dichter ist frei, das zu dichten, was zu dichten er mag – und wie zu dichten er mag. Der aufgeklärten Vernunft wurde der Mensch als emotionales Wesen entgegengesetzt, der Kult um den Dichter als Genie beginnt sich langsam zu bilden.
Auch viele seiner Gedichte muss man ganz lesen, so Die Frühlingsfeyer – denn Auszüge daraus geben nicht alles wieder. Der Gesamttext bildet eine Einheit. Ebenso An Gott und Dem Allgegenwärtigen und Wißbegierde ; Und natürlich: „Der Messias“. Liturgie als Kunst wird hier deutlich: Morgengesang. Maßstab für Dichtung war in der Zeit Klopstocks die Antike in der Rezeption der damaligen Moderne. Klopstock hat versucht, den christlichen Glauben in diese Rezeption einzubetten, während andere, zum Beispiel Goethe, die Rezeption der Antike als solche in ihren Gedichten wiedergeben wollten. Die göttliche Natur, von menschlichen Gefühlsgöttern munter durchwaltet, ist die heiter urwüchsige Lebenskraft schlechthin.
Was an Klopstocks Texten, die im Gesangbuch aufgenommen wurden, besonders hervorsticht, ist der Mensch als Staub – die Größe Gottes – und Gott, der sich dem Staub erlösend zuwendet – und das Staubkorn Mensch sagt zu Gott: „Ja, ich lebe dir, ich sterbe dir! / Ja, Vater, Vater! Dein will ich auf ewig sein, auf ewig dein Versöhnter.“ („Auf ewig ist der Herr mein Theil“ 1834:377). Aber der Mensch leidet Not – er ist empfindsam – und er benötigt Ermutigung: „Hilf unsrer Schwachheit, Geist des Herrn! / Zeig uns den Himmel dann von fern; / laß uns, wenn wir zum Vater steh´n, / getröstet seh´n, wie der uns liebt, / zu dem wir geh´n.“ („Dein sind wir Gott“ 1834: 847). Aber das Gericht wird erwartet: „Gib, daß keiner meiner Tage, / Vater der Unsterblichkeit! / im Gericht sich einst beklage, / er sei ganz von mir entweiht“ (Wenn ich einst aus jenem Schlummer, welcher Tod heißt, aufersteh“: 1834,765).
Die im oben genannten Text „Wißbegierde“ letzte Strophe ist äußerst heftig:
„Saat sä´n sie, deren Ernte Verwilderung ist!
Des Menschen Rechte leugnen sie; leugnen Gott!
Schweigt jetzt, nicht leitend, Gott? und kannst du,
Furchtbares Schweigen, nur du uns bessern?“
*
Bei vielen der letztgenannten Gedichte findet eine Auseinandersetzung mit denen statt, die meinen, die Welt in den Grenzen, die der menschliche Verstand vorgibt, beurteilen zu können und diejenigen angreifen, die einen Glaubensblick habe. Die Welt wird nicht in den Grenzen, die der Materialismus bzw. Rationalismus vorgeben, gesehen, sondern man sieht „mehr“ – man erblickt den Schöpfer in der Natur, man hört die Natur den Schöpfer bezeugen, man sieht die Natur als Gleichnis an, mit deren Hilfe man das „mehr“ erkennen kann. In der Schöpfung erkennt sich auch der Mensch wieder. Er steht nicht außerhalb der Schöpfung und seziert sie mit seinem Verstand, sondern er sieht sich als Teil von ihr und durchdringt die Schöpfung poetisch. Sie ist nicht nur ein ablaufendes Uhrwerk, sie ist auch schön, so schön, dass sie den Menschen ergreift und zu Gott führt. So ist der Mensch als Geschöpf nicht vergänglich, sondern vom Schöpfer her gesehen: unvergänglich, er hat Würde bekommen, ist Gottes Ebenbild.
Was in den Gedichten zum Thema Schöpfung nicht wahrgenommen wird, das ist, dass auch die Natur gefallene Schöpfung ist. Durch den einseitigen Blick konnte man allerdings erst einmal die Wahrnehmung schärfen. Und dann, wie an Albert Knapp zu sehen ist, sich auch für die leidende Natur einsetzen, so das Leiden vom Menschen verursacht wurde.