16. Jh.

Es ist nicht möglich die Explosion der geistlichen Lieder auch nur annähernd wiederzugeben, die mit der Reformation hörbar wird (dazu siehe z.B. die zahlreichen Autoren: Paul Pressel). Natürlich sei Luther genannt, denn er hat die protestantische Sangesfreude massiv geprägt. Wie in den vorangegangenen Abschnitten sollen keine Psalmen-Übertragungen, keine Marienlieder, Heiligenlieder und auch keine lyrischen Bibelübertragungen im Zentrum stehen, Ausnahmen bleiben.

In dem Gesangbuch der Evangelischen Kirche in den Fürstentümern Waldeck und Pyrmont von 1878 sind Lieder von 191 Autoren aus dem 16.-19. Jahrhundert genannt. Es ist deutlich, dass angesichts dieser Fülle nur ein paar Schneisen geschlagen werden können. Ich habe mir gedacht, dass ich nur auf Texte hinweise, die nicht im Evangelischen Gesangbuch der EKHN von 1993 vorkommen. Ob das machbar ist, wird sich zeigen, denn gerade ohne die Lieder von Luther (Ein feste Burg ist unser Gott; Vom Himmel hoch da komm ich her), die Lieder aus dem 17. Jahrhundert von Paul Gerhard (z.B. Befiehl du deine Wege, Geh aus mein Herz und suche Freud) geht es kaum: oder ohne die, die besonders einflussreich geworden sind, ohne den Hymnus der Deutschen, das Lied von Matthias ClaudiusDer Mond ist aufgegangen (18. Jh) oder Tersteegen (18. Jh.; Ich bete an die Macht der Liebe) oder Zinzendorf (18. Jh; z.B. Jesu, geh voran). Ich bin selbst gespannt, wie es werden wird.

Martin Luther (1483-1546)

war sehr fleißig darin, Lieder zu komponieren, alte Lieder umzutexten, Psalmen neu zu formulieren. Damit hat er eine Brückenfunktion zwischen Vergangenheit und seiner Gegenwart bis hin zu uns eingenommen. Er erkannte, dass mit den Liedern das Anliegen der Reformation den Menschen nahe gebracht werden kann, sie sind Glaubensbekenntnis. Zudem wird mit der Neudichtung z.B. der alttestamentlichen Psalmen den Menschen die Bibel – in lyrischen Kommentaren – nahe gebracht. Wir hatten schon das Gedicht: Mitten wir im Leben sind – das hat er dann zu einem Bußgebet (EG 518) umformuliert. In Aufnahme von Psalm 129/130 textete er eindrücklich: „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299). So wird die eigene Schuld benannt – aber dann vor allem die Gnade Gottes besungen, womit ein wesentliches Anliegen lutherischer Reformation wiedergegeben wird. Jesaja 6 wird von ihm in einem Gedicht wiedergegeben (Jesaja dem Propheten das geschah). Auch das Lied: Ein feste Burg ist unser Gott ist im Grunde eine Meditation und Übertragung zu Psalm 46 in die eigene Zeit. Auf ein Lied sei besonders hingewiesen – eines, das für Luther aus meiner Sicht überraschend ist: „Ein Lied von der heiligen christlichen Kirchen“ . In diesem besingt er eigentlich Maria, wie sie in der Apokalypse des Johannes geschildert wird: „Sie ist mir lieb, die werde magd“ – sie trägt eine Krone mit zwölf Sternen, hält das Jesuskind, rettet es vor dem bösartigen Drachen. Es ist ein Marienlied – aber durch die Überschrift weist es darauf hin, dass die Kirche die Magd ist, in der Jesus Schutz vor dem bösen Widersacher gefunden hat. https://de.wikipedia.org/wiki/Sie_ist_mir_lieb,_die_werte_Magd

Dichterinnen der Reformation

Martin Luther hat übrigens ein Lied von Elisabeth Cruciger (1500 ?-1535) weiter verbreitet. Das ist bis heute im Gesangbuch zu finden: Herr Christ der eynig Gotts son (EG 67).

Genannt sei auch Argula von Grumbach (um 1492- um 1554), die sich sehr stark für die Reformation eingesetzt hat. Ein Gedicht liegt mir vor, in dem sie einem anonymen Angreifer den reformatorischen Glauben nahe bringt. Darin heißt es unter anderem, dass ihr die Beschimpfung egal ist, sie sogar ihr Herz erfreut, denn Christus sagt: Ihr seid selig, die ihr verfolgt werdet (Bers). Sie hatte, wie im Grunde alle diese Menschen, die hier genannt werden, eine Biographie, in der Leiden, Zurückweisungen, Erniedrigungen nicht fremd waren. Es ist immer wieder erstaunlich zu lesen, was Menschen alles aushalten können.

Auch die Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Calenberg / von Brandenburg (1510?-1558) ist in dem Band von Bers mit zwei Gedichten vertreten, in dem sie ihren Glauben ausspricht. In einem langen Gedicht formuliert sie ihre Biographie (!) – sie ist bestimmt von Leiden und Schmerzen, den Angriffen des Teufels, aber Gott steht ihr bei, allein „Gots ehr unnd wortt ist mein beger“ . Sie musste wirklich viel erleiden, vor allem durch ihren Sohn, der um seiner Karriere Willen das Werk seiner Mutter zerstörte. Laut Wikipedia-Artikel zur Verfasserin (gelesen 10.4.2021) steht auf ihrem Grabstein ein von ihr verfasstes Gedicht: Zuvörderst ist mir Jesus Christ / Allzeit gewest das höchste Gut. / Durch seinen Geist gab mir der Mut, / Dass ich mich christlich hab ermannt/ Und pflanzt sein Wort in dieses Land.

Maria, Königin von Ungarn (1505-1558) Sie war Kaiser Karls des V. Schwester und wandte sich gedanklich dem evangelischen Glauben zu. Sie war wie Pressel sagt, an Wissenschaften interessiert und am Evangelium, bekam philosophische Ausbildung. Als ihr Mann im Krieg gegen die Türken 1526 gefallen war, wurde sie wegen ihres evangelischen Glaubens (so Pressel) bzw. wegen der politischen Wirren vertrieben. Luther widmete ihr Erklärungen zu Trostpsalmen. Sie regierte in den Niederlanden sehr erfolgreich. Aufgrund ihres Glaubens wurde sie angefeindet und ist, so wird vermutet, wieder zum Katholizismus zurückgekehrt (Pressel) – wobei heute nicht klar ist, ob sie überhaupt protestantisch geworden war. Wie dem auch sei: In ihrer Not dichtete sie ein Lied, in dem sie Gott bittet, die Anfeindungen zu überwinden, die sie wegen des rechten Glaubens erleiden muss: „Herr Jesu Christ, / Du wirst mir stehn zur Seiten, / Und sehen auf das Unglück mein, / Als wär es dein, / Wenns wider mich wird streiten.“

Marie Cleophe Gräfin zu Sultz (gestorben 1580) – von ihr liegen auch zwei Lieder vor (Bers). In einem heißt es: „Ach Gott in deinem Reiche / ich rüff dich trewlich an: / wie du mich hast geheyssen / so wöllest mich nicht verlan / das Creutz hast mich heyssen tragen / so ich wöll dein Dienerin sein / so thuot mein Hertz fast zagen / unnd will sich nit schicken darein.“ Und so wird Gott gebeten, ihr beizustehen.

Berühmt waren zu ihrer Zeit auch die Lieder der sehr Kindern zugewandten Lehrerin Magdalena Heymair (ca. 1535-ca. 1586). „Das Gaistliche A.B.C.“ bringt Kindern (streng) nahe, wie sie im Sinne des christlichen Glaubens leben sollen, gleichzeitig geht sie seelsorgerisch darauf ein, wie mit Leiden umgegangen werden kann. Beim Buchstaben Z angekommen, schreibt sie: Zv Christi Jüngstem tage / wir alle müssen stohn: / Sagst du auff da ohn klage / diß A.B.C. gar schon. / So du gelebt dem gleich / so solt du es geniessen / das wirdt den Feindt verdriessen / wirst gehen inn Gottes reich.“ (Bers)

Warum habe ich diese Dichterinnen genannt, obgleich im Grunde nur wenig Texte vorliegen? Die Reformation hat auch Frauen dazu inspiriert, Lieder und Gedichte zu schreiben. Berühmter wurden die Texte der folgenden Männer.

Michael Weisse (1488-1534)

ist Autor zahlreicher Lieder im Gesangbuch https://www.liederdatenbank.de/artist/9002 . 1531 hat er ein Gesangbuch herausgegeben (Löffler/Willer: Geistliche Lyrik – von mir sprachlich verändert). In der Einleitung heißt es: „Lobt Gott in deutschen Zungen / Preiset ihn ihr Alten und Jungen“ – an ihn gilt es zu glauben – ihn gilt es allein zu bekennen – aber ohne Heuchelei. Die Jugend ist in dieser Hinsicht zu erziehen, damit sie Frucht bringe. Am Ende schreibt er: „Gott allein zu Lob und Ehr / und seinen Auserwählten zur Lehr / Ist dies Büchlein wohl bedacht / Aufgrund der Schrift zusammen bracht“.

Vittoria Colonna (1492-1547)

Sie ist eine Dichterin, die in ihrer Zeit, in der Hochrenaissance, sehr anerkannt war. 1525 ist ihr Mann gestorben, sie hat nicht wieder geheiratet, blieb kinderlos,; sie hat sich, als eine Frau, die bedeutendem römischen Adel entstammte, intensiv in Belange ihrer Zeit eingemischt. Intensiv befreundet war sie mit Michelangelo. Sie war reformatorischen Ansätzen gegenüber aufgeschlossen, was zu ihrer Ablehnung durch manche Kreise führte. Sie lebte in einer Zeit der Kämpfe (Frankreich gegen Italien, Spanien usw.) Ihr Mann nahm ihr eine Perlenkette, schenkte sie einer anderen Frau, die jedoch die Kette der Vittoria wieder zusandte. Sie hat es in ihrem Leben auch mit dem Mann nicht leicht gehabt, den sie in Gedichten besungen hat und um den sie viele Jahre trauerte. In ihrem Auftrag schrieb ein Kardinal (Pompeo Colonna) ein Buch, das für die Gleichwertigkeit der Frauen eintrat. Religiös orientierte sie sich immer stärker an eine Richtung, die den Glauben als Geschenk ansah. Das war nicht ungefährlich, obgleich weite Kreise in Italien entsprechende Toleranz einforderten.

In ihren Gedichten kann sie sehr intensiv über ihren Glauben sprechen – immer auch mit Blick auf die Bedeutung für sie bzw. die Menschen: Indem Jesus sich taufen ließ, in das Wasser stieg, vermischte er sich mit anderen, die in das Wasser des Lebens tauchen. Doch anstatt unser Spiegelbild in seinem Wasser zu sehen, halten wir uns von ihm fern (Veggio oggi nel pensier sotto la mano). Spannend ist an der Dichterin, wie sehr sie sich mit dem Leben Jesu verwebt (z.B. Quando in se stesso…): wir klammern uns an Christus so fest, dass seine Glieder uns gehören und wir seine Dornenkrone spüren, auch die Nägel, die seine Hände durchbohren. Wer mit ihm weint, kommt weiter (Chiari raggi d´amor). Das wünscht sie sich auch von anderen Menschen, dieses Weiterkommen, aber gottlos, arrogant und korrupt sind Menschen. Sie können Jesu Hingabe an sie nicht verstehen. Nur die Menschen, die den Hass mit Liebe besiegt haben, haben sein Geschenk in ihrem Herzen wirken lassen (Felice giorno). Durch das Sterben Jesu durchdrang  das Meer der Gnade die Struktur der Wut und des Zorns in allen Dingen, und der Schleier zwischen Gott und Mensch wurde entfernt (Quando di sangue) – aber sein herrliches Licht macht Menschen blind (Quando la croce). Nur über Stürme des Leidens ist der Mensch in der Lage, weiter zu sehen (Parea piu certa). Jesus hat durch sein Sterben die Erde würdig gemacht (Scorgean gli spiriti).

Sie kann auch schreiben: Jesu Gesicht leuchtete mit einem Lächeln, das Glauben schenkt (Chiari raggi d´amor); erleuchtet von Gott, von dessen Liebe bewegt, schreibt sie, ohne es bewusst wahrzunehmen, das Lob Gottes auf (Qual digiuno). Jesus hat den Menschen durch seinen Tod eine sanftere Welt geschenkt (Le braccia aprendo). Und so ist es der göttliche Atem, der die Winde erregt, damit menschliche Flügel sich erheben können (Vanno i pensier talor). Die drei Könige aus dem Morgenland gaben dem Jesuskind Geschenke, weil Gott sie beschenkt hatte. Das Thema Geschenk ist ihr mit Blick auf den Glauben wichtig, wie oben schon angedeutet. Unter Christi schützendem Umhang lebt sie den Glauben, den ihr niemand nehmen kann (Non si scusa). Einen Glauben, der es ihr ermöglicht, fröhlich an den Netzen vorbei zu Gott zu gelangen (Quando con la bilancia). Richte den Blick nicht zur Erde, sondern auf den, zu dem Du in Freude unterwegs bist (Mentre che l´uon mortal).

Ich finde diese Gedichte insofern auch spannend, weil sie in Italien sehr intensiv protestantische Frömmigkeit in der Zeit der Reformation aussprechen, wie an dem, was ich hier dargelegt habe, erkannt werden kann. (Texte: http://www.jimandellen.org/tochrist.html )

Johannes Zwick (1496-1542)

Bekannt ist sein Lied: All Morgen ist ganz frisch und neu (EG 440). Er hat es vielleicht kurz vor seinem Lebensende geschrieben. Es ist eines seiner zahlreichen Lieder, die er als Reformator in Konstanz gedichtet hat. Als aber Konstanz rekatholisiert wurde, gerieten auch viele seiner Lieder in Vergessenheit. Die Gemeinde, die sie sang, war nicht mehr da, konnte somit auch nicht mehr für Bekanntheit sorgen. Die Lieder wurden später wiederentdeckt. Sein Himmelfahrtslied (Auf diesen Tag bedenken wir; Gesangbuch Waldeck/Pyrmont 1878, 80): „Gottlob, nun ist der Weg gemacht, / uns steht der Himmel offen! / Christus schließt auf mit großer Pracht, / vorhin konnts Niemand hoffen. / Wer´s glaubt, des Herz ist freudenvoll, / dabei er sich doch rüsten soll, / dem Herren nachzufolgen. Halleluja! Halleluja.“ Freudenreich wird der Tag erst dann, „wenn Gott uns zu sich nehmen und seinen Sohn wird machen gleich“ . Das Neujahrslied („Nun wolle Gott, dass unser Sang / mit Lust und Freud aus Glauben gang“ ) bittet Gott darum, alle möglichen Stände zu leiten, auch die Obrigkeit. Gegen die 11. Strophe hätte Thomas Müntzer (1489-1525) wohl manches einzuwenden: „Es geb euch Armen Gott der Herr / das täglich Brot und was noch mehr / an Leib und Seel vonnöten ist, / voraus Geduld durch Jesum Christ“ ( http://www.christliche-gedichte.de/?pg=10942 ). Thomas Müntzer habe ich darum erwähnt, weil er aus tiefem Glauben heraus das Handeln für die Armen betonte, und nicht gerade für die Geduld bekannt ist

Sebastian Franck (1499-1542)

Er kann mit allen religiösen Parteien nichts anfangen und in seinem Gedicht „Von vier zwiträchtigen Kirchen, deren jede die ander verhasset unnd verdammet“ begründet er, warum er von all den Reformen nichts hält: „Wer nun in Gottes Reich will gohn, / der flieh davon, / nach Christo soll er trachten.“ Er hatte ein aufgrund seines Widerstandes gegen alle ein ziemlich bewegtes Leben. Und so schließt er seinen Text: „Er bleib in Demut und Geduld, / such Christi Huld, / lass sich die Welt verachten. / Ob ihm schon feind / all Menschen seind, / die Welt ihm gram / um Christi Nam´, sein Kron wird nicht verschmachten.“ Es sei angemerkt, dass Franck in vielem die Aufklärung mit vorbereitet hat. Mit Müntzer hat er gemeinsam, dass mit dem Glauben sozialer Einsatz zu verbinden ist. Das haben sie übrigens auch mit manchen Mystikerinnen/Beghinen gemeinsam.

Nikolaus Selnecker (1530-1592)

war ein in seiner Zeit wichtiger Mann mit einer – wie es damals nicht selten war – sehr vielfältigen Biographie. Er hat viel geschrieben und auch Lieder gedichtet. Von ihm finden wir Lieder im Gesangbuch. Hier soll eines wiedergegeben werden, das nicht im Gesangbuch steht und die Nöte seines Lebens widerspiegelt:

Ach Gott, wem soll ich klagen / mein Angst und Elend schwer?“ Er hat mit inneren und äußeren Schrecken zu kämpfen, weiß weder aus noch ein. Retten kann allein Jesus Christus: „Zu dir ich komm und weine“ . Durch Jesu Kreuzestod wurde dem Dichter die Schuld vergeben. „Ich geh daher in Sprüngen, / der Himmel ist ganz mein, / Mit Freuden tu ich singen: / Gott will mir gnädig sein.“ (https://hymnary.org/text/ach_gott_wem_soll_ich_klagen_mein_angst_ Dazu s. das Volkslied: https://www.volksliederarchiv.de/ach-gott-wem-soll-ich-klagen-2/ ) In dem Lied „Gebetlein, dass Christus wolle unser oberster Regent sein und bleiben“ klingt es erst ganz harmlos: „Ohn dich gilt nichts, Herr Jesu Christ, / ohn dich kein Ruh, kein Fried mehr ist“ – aber dann: „Ach werd auch nu bald selbs der Herr, / dass wir nicht Häupter dörfen mehr. // … Zermalm die Königreich in der Welt: / Herr, es ist Zeit, wenn dirs gefällt.“ (books google hat das Heft von Selnecker ins Netz gestellt: Christliche Psalmen Lieder und Kirchengesenge… Nicolaum Selneccerum)

Johann Valentin Andreae (1586-1654)

ist bekannt geworden vor allem aufgrund seiner Utopie: Christianopolis („Christenburg Das ist: ein schön geistlich Gedicht“ ) und ist wohl Initiator des Rosenkreuzer-Mythos. Er selbst hatte – auch wegen seiner moralischen Strenge – keinen leichten Stand, lebte eine chaotische Biographie (Pest, 30jähriger Krieg), war wissenschaftlich, sozial und pädagogisch äußerst rege https://www.heiligenlexikon.de/BiographienJ/Johann_Valentin_Andreae.html . Er schrieb unter anderem Satiren (Über den Tod der Wahrheit) – und von den 350 Gelegenheitsgedichten sind mir bislang nur drei bekannt geworden, die aber wohl kaum sein vielfältiges Schaffen widerspiegeln: Ein sehr antijudaistisches Lied (Da Jesus in den Garten ging). Dieses wie auch andere besingen intensiv den Kreuzestod Jesu (O hoch heiliges Kreuze; Ich grüß dich, Jesu, Menschen-Heil). Das bedeutet: Hier ist noch mehr zu erforschen und bekannt zu machen.

Bartholomäus Ringwaldt (1532-1599)

Von ihm gibt es auch das eine oder andere Gesangbuchlied. In einem Gebet bittet er: „O Du getreuer Jesu Christ/ All unser Trost und Leben, / Der Du der rechte Weinstock bist / Und wir sind Deine Reben“ . In der letzten Strophe bittet er darum, dass wir gute Werke tun können, das Amt recht verwalten „Und darin nichts suchen mehr / Als Deines Namens Lob und Ehr / Und unsers Nächsten Frommen“ . In seinem Gebet zu Neujahr wird formuliert, was den Menschen damals gefährlich werden konnte: „Bescher uns auch ein fröhlich Zeit / Zu diesem neuen Jahre, / Und deine arme Christenheit / Vor des Feindes Schwert bewahre, / So auch vor Wasser, Pest und Feur, / Vor Hagel und vor Brötung theur, / Vor Mördern und vor Dieben, / Vor schnellem Tod, Sünd, Hass und Neid / Dass wir in Fried und Einigkeit / Einander mögen lieben.“ (Sprachlich leicht verändert.) Sein Sommerlied „Gottlob! es ist vorhanden“ wird wohl Paul Gerhardt als Anregung gedient haben für sein Lied: Geh aus mein Herz und suche Freud. Die 19 Strophen beschreiben sehr schön die Sommernatur und enden damit, dass wir auf der Erde frieren, aber nach dem Tod den Sommer Gottes bekommen werden. (Zitiert nach: Hoffmann von Fallersleben: Spenden zur deutschen Litteraturgeschichte, Leipzig 1844.)

Martin Kinner von Scherffenstein (1534-1597)

Über diesen Dichter ist nicht viel bekannt. In dem Buch von Fallersleben, das ich genannt habe, wird von ihm ein Trostlied genannt. In diesem beklagt er sich, dass schöne Worte gesprochen werden, aber falsch sind. Menschen werden getrennt – aber Gott ist treu, und der Dichter hält zu Gott. Das Gedicht „Ein anderes“ hat auch einen bekannten Zug, der einen Dichter des 20. Jahrhunderts (Rilke) inspiriert haben mag: „Wir fallen häufig ein und ab, / Wie Blätter von den Bäumen. / … / Und obs wol fällt in Deine Hand, / Und kömmt in´s rechte Vaterland, / Das Du uns hast geschenket…“ Es endet mit der Bitte: „Mein traurig Herz mit Trost aufricht, / Bild mir Dein Wort ein: Weine nicht! / So will ich fröhlich sterben.<

*

In der Reformationszeit wurden viele Grenzen durchbrochen. Manche wurden neu aufgerichtet. Es gab manche, die mit kleinen Hämmern an den neuen Mauern gehämmert haben, um sie zu durchbrechen. Es ist ihnen nicht gelungen – in ihrer Zeit ist es nicht gelungen.

Teresa von Avila (1515-1582)

ist eine der ganz bedeutenden Menschen – bis heute. Sie hatte ein Leben in massiver Auseinandersetzung mit ihren Mitschwestern und anderen Glaubenden: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienT/Teresa_von_Avila.htm In einem Gedicht über das Wirken der Liebe Gottes heißt es (Lieder der Heiligen):

Das, was nichtig ist, verbindest / Du dem Sein, das ewig währt; / Weil von eigner Gluth du zündest, / Liebst du, was du werthlos findest, / Oder gibst uns neuen Werth.“ (Lieder der Heiligen) (Um mit eigenen Worten auf Luther zurückzugreifen: Gott liebt uns nicht, weil wir so wertvoll sind, sondern wir sind wertvoll, weil Gott uns liebt. Das wird in dem Gedicht ausgesprochen – allerdings ist das, so Teresa von Avila, nur unter Schmerzen zu erfahren:) „Schönheit! Sonne, die die Kerzen / Aller Schönheit dunkel macht, / Ohne Wunden gibst du Schmerzen, / Tilgest ohne Schmerz im Herzen / Aller ird´schen Liebe Macht.

Es ist an dieser Stelle nicht möglich, das umfangreiche Werk und die Versuche, die Innigkeit der Liebe Gottes, die sie erfahren hat und zur Sprache bringt, wiederzugeben. Ich möchte nur auf eine Nähe zu Paulus hinweisen (Galaterbrief 2,20: ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir…): „Ich lebe wohl, doch außer mir, / Seitdem ich ganz vor Liebe sterbe; / Denn in dem Herrn ruht nun mein Leben, / Der mich zum Eigenthum gewählet. / Weil ich mein Herz ihm hingegeben…“ . Allgemeiner bekannt ist https://karmelblumen.wordpress.com/2013/06/30/teresa-von-avila-spirituelle-basis-zitate/ :

Nichts soll dich verwirren,
nichts dich erschrecken!
Alles vergeht.
Gott ändert sich nicht.
Geduld
erreicht alles.
Wer sich an Gott hält,
dem fehlt nichts;
Gott allein genügt.

Johannes vom Kreuz (1542-1591)

Im Grunde ist von ihm zu sagen, was auch zu Teresa von Avila gesagt wurde. Sie sind gewissermaßen Glaubenszwillinge (Kenner mögen mir meinen laienhaften Vergleich verzeihen). In dem Gedicht „Entflammt von Liebesqualen“ beschreibt er die Seele, wie sie sich vom Körper entfernt und zu Gott gelangt. Die Seele geht aus ihrem Haus und wird vom Geliebten (Gott) geführt (vgl. Eichendorff: Mondnacht):

O Nacht, so hold wie nimmer
das Morgenrot erscheinet!
O Nacht, die du vereinet
dem Bräutigam die Braut,
die umgewandelt sich in Ihm erschaut!

Es wird Morgen:

Ich lehnt’ an den Geliebten,
mein Antlitz liebestrunken,
und – alles war versunken.
Ich schwand mit allem hin,
die Sorgen ließ ich unter Lilien blüh’n.

Diese Zeilen wurden zitiert nach: http://www.marschler.at/worte-johannes-kreuz.htm – dort gibt es weitere Gedichte von Johannes.