Rudolf Alexander Schröder (1878-1962)

Rudolf Alexander Schröder (1878-1962)

Rudolf Alexander Schröder war einer der ganz bedeutsamen Lyriker – die aber in der Versenkung verschwunden sind. Er war auch ein bedeutsamer Dichter von Kirchenliedern – allerdings auch hier: Es gibt nur noch drei Lieder von ihm im neuen Gesangbuch: „Wir glauben Gott im höchsten Thron“ (184) 1937 entstanden, ein Glaubensbekenntnis in einer Zeit, die dem christlichen Glauben feindlich gegenüberstand; ganz spannend ist, wenn man es aus der Zeit von 1936/1939 liest, das Lied: „Es mag sein, dass alles fällt“ (378); 1942 wurde das Lied „Abend ward, bald kommt die Nacht“ (487) gedichtet – erstaunlich in dieser Zeit, aber auch da lebten Menschen im Normalzustand; vielleicht versteht man dann aber auch die Gebets-Formulierung: „tu mit Bitten dir Gewalt: / Bleib bei meinem Ruhn“. Im Vergleich zu dem älteren Gesangbuch wurde eigenartiger Weise aus dem neuen das Lied entfernt: „O Christenheit, / sei hoch erfreut“. Es ist auch in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden und greift die Angriffe auf Gott und die Christen auf: „Spricht der Tor: `Wo ist dein Gott?´, / der dir täglich Hohn und Spott / ersinnt und dichtet; / halt fröhlich stand: / bald weist die Wand / den Finger, der ihn schwichtet.“ (Damit greift er eine alttestamentliche Geschichte, Daniel 5, auf, in der der Herrscher Belsazar durch eine geheimnisvoll angebrachte Inschrift, Menetekel, in die Schranken gewiesen wird: Er wird sterben und sein Reich wird untergehen.)

Rudolf Alexander Schröder war als Innenarchitekt, als Designer tätig, gründete mit Otto Julius Bierbaum die Zeitschrift „Die Insel“ – aus der der Insel-Verlag entstand. 1932 dachte er, dass der Nationalsozialismus am Ende sei, deren Parteiprogramm sei Wahnsinn. Er zog sich, als die Nationalsozialisten mächtiger wurden, zurück. Dennoch stand er während der Zeit des Nationalsozialismus der Bekennende Kirche nahe, wurde Laienprediger. Er gehörte mit vielen namhaften Autoren dem Eckart-Kreis an, der Theologie und Literatur zusammenführen wollte. Seine „Hymne an Deutschland“ („Land des Glaubens, deutsches Land“) wäre fast die Deutschland Hymne geworden. Bundeskanzler Adenauer setzte sich aber gegen den Bundespräsidenten Heuss durch. Auch der überwiegende Teil der Bevölkerung wollte das dann gewählte Deutschlandlied.

Dichten als Kunst – beschäftigte Schröder. Es ging ihm zunächst nicht darum, eine Botschaft zu übermitteln. Dichten ist Kunst und nicht einfach nur Beschreiben dessen, was ist. Weil ihn das Thema Dichtung als Kunst beschäftigte, vertiefte er sich in die europäische Dichtung von der Antike bis in die Gegenwart und übersetzte auch viel. In dieser Tradition der hohen Kunst des Dichtens sah er sich. In den Gedichten spielte der christliche Glaube zunächst keine Rolle, denn Rudolf Alexander Schröder hatte sich vom christlichen Glauben abgewandt. Er ist mit ca. 40 wieder zu ihm zurückgekehrt. Was war geschehen? In manchen Gedichten deutet er etwas an. Ich möchte nur nennen: „Was hilft es, dass du mich belehrst / mit Menschen- und mit Engelszungen, / solang ich nicht mit dir gerungen, / solang du selbst dich mir verwehrst?“ In weiteren verdankt er sich selbst ganz einfach: Gott: „ich hab´ dich nie geschaut: / Du / hast mich angesehen.“ Diesen Glauben verkündigt er in vielen Gedichten – in manchen recht eindrucksvoll – und bislang unerreicht. Sehr eindrücklich finde ich viele Texte aus dem Liederkreis „Hier und Da“ (1942), die hier leider nicht vertieft dargelegt werden können.

Viele seiner Gedichte sind von dem Gedanken durchzogen, dass der Mensch erkennen muss, dass ihm im Grunde nichts gehört, dass ihm alles, was er hat, geliehen ist, und ihm mit dem Sterben abgenommen werden wird. Der Mensch ist auf der Wanderschaft. Dieses Thema, Leben angesichts von Tod und Sterben, war nicht nur Thema in seiner christlichen Zeit, sondern prägte schon früh sein dichterisches Schaffen, weil eine Freundin gestorben war. Gedichte voller Trauer und Klage entstanden und mit stoischen Appellen (s.u.): Es gilt zu ertragen, weil Leben das im Grunde erzwingt (Sonette 1904; Elysium 1906). Die Texte klagen nicht nur, es werden auch die zarten Schattenwesen in der Unterwelt kunstvoll beschrieben: „Alles ist ja leicht im untern Reich. / Leichte Schatten, wir begrüßen euch.“ (Elysium III) Die Kraft des Lebens – die auch von Rilke aufgegriffen wurde, weil sie in der damaligen Zeit als Weltanschauung (Lebensphilosophie), als Natur-Spiritualität verbreitet war, bricht auch bei Schröder durch. Der Erste Weltkrieg, den er als patriotischer Dichter (Deutscher Schwur, 1914) und Zensor begleitete, belehrte ihn eines anderen. Das bisherige Denken ist zu oberflächlich. Er wandte sich dem christlichen Glauben an Gott aufgrund einer Gotteserfahrung zu und versuchte nun, den christlichen Glauben von der Kunst durchdringen zu lassen bzw. dann die Kunst vom christlichen Glauben („Mitte des Lebens“ 1930).

In seinem 1914 gedichteten Text „Deutscher Schwur“ („Heilig Vaterland“) spricht er wie viele andere kriegsbegeistert das Vaterland an und einen Schwur aus: „Schwören wir bei Gott / Vor dem Weltgericht: / Deiner Feinde Spott / Wird zunicht.“ Und: „Bei den Sternen steht, / Was wir schwören; / Der die Sterne lenkt, / Wird uns hören: / Eh der Fremde dir / Deine Kronen raubt, / Deutschland, fallen wir / Haupt bei Haupt...“. Dieser Text wurde 1933 etwas verändert vertont, wurde vielfach auf nationalsozialistischen Kundgebungen gesungen. Manche sahen wohl, dass das, was 1914 begann, 1933 vollendet werden wird. Schröder hat 1936 gegen eine Neudichtung bzw. Vertonung protestiert, stand dem Ganzen jedoch nicht ganz so ablehnend gegenüber. Er versuchte freilich, anders als Ina Seidel, sich der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten zu entziehen, indem er außerhalb von Gleichgesinnten (Bekennende Kirche, Eckart-Kreis) Öffentlichkeit eher scheute. (Wenn auf Schröder eingegangen wird, muss man immer beachten, dass im Internet verschiedenste Texte und Zeiten miteinander vermischt werden. Bestimmte Aspekte werden hervorgehoben, andere werden verschwiegen. Es ist schwer, sich ein angemessenes Bild zu machen. Es ist noch einiges von mir in dieser Hinsicht zu untersuchen. Aber eine gewisse Zwiegespaltenheit scheint ihm zu eigen. Einerseits setzte er sich vorsichtig in die Nesseln, andererseits unterließ er es.)

Wenden wir uns seinem christlichen Lebensabschnitt zu. Viele seiner Gedichte versuchen die Not zu erklären. So schreibt er in dem Gedicht „Wintertrost“ – für den Dichter Siegbert Stehmann 1941 –: „Ob sich dein Liebstes verflüchtigt, / dein Festestes splittert und stiebt: / gedulde dem, der dich züchtigt, / Der heimsucht, weil er dich liebt.“ – Hier wird der alte Gedanke aufgenommen, dass Gott den Menschen leiden lässt, um ihn für die Ewigkeit vorzubereiten. Das Leiden der Kriegszeit wird auf diese Weise als eines verstanden, das nicht zufällig den einzelnen Menschen trifft, sondern dieser trotz der Bedrängnisse auch in Gottes liebender Hand liegt. Ein Lied, das vielfach kursierte:
Was immer dir auch begegnet /
Mitten im Abgrund der Welt: /
Es ist die Hand, die dich segnet, /
Es ist der Arm, der dich hält.
So beginnt das genannte Gedicht. Das heißt: Gott hält im Leiden, der Leidende ist nicht allein. In „So läuft der Kreis des Lebens“ heißt es, er läuft von Gott zu Gott. Das Leben mündet dann in Gott ein, wenn der Mensch reif ist für die Gegenwart Gottes. Und um ihn reifen zu lassen, dazu dient auch das Leiden. „Und du, der lang in mancher Schule / nach der verborgnen Weisheit rang, / Fall nieder, meng vor Gottes Stuhle / Dein Stammeln in den Lobgesang.“ („Fall auf dein Angesicht“) Dennoch: Es ist ein Rätsel, so der „Lebenslauf“: „Alter, wenn sich´s sagen läßt, / Sag, wie war dein Lebenslauf? / – Der mich freigab, hielt mich fest, / Der mich drückte, half mir auf,“ so lautet es in der ersten Strophe, in der letzten heißt es: Er „Hielt Gericht und sprach mich quitt… / Rätsel: deute sich´s, wer kann.“ Gott befreit, Gott bedrängt…

Diese Interpretation des Kriegsgeschehens war der Kriegsgeneration eine große Hilfestellung: Leiden ist nicht vergeblich – es hat einen Sinn. Der Dichter kann sogar bitten: „Herr, läutre mich in Liebesflammen, / ich selbst vermag es nicht!“ („Darf ich? – Ich soll!“) Auf Wanderschaft sein heißt loslassen können, heißt in Kälte leben, Wüsten durchwandern. Doch in diesem bedrängenden Leben gibt es Trost: „O Mensch, und ob der Tod / Dich von dir selber schiede: / Dein Ende steht bei Gott, / Bei Gott allein dein Friede.“ („Wintertrost“) Mit diesem Blick auf den Tod gilt es – und das ist für den christlichen Glauben nicht unwichtig: Sterben lernen („Ich bitt um keine andre Gunst“) – wie das Wort aus Psalm 90 bis in die Gegenwart immer wieder wichtig ist: „Herr, lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, damit ich mein Leben klug führe.“ Um diese Antworten kreist Schröder, kreist auch die Schröder-Rezeption der damaligen Zeit. Sein Emmaus-Gedicht „Wenn der Abend kommt“ beginnt mit der Zeile: „Komm, der unsre Fragen schweigt“. Die Emmausjünger – von denen Lukas im 24. Kapitel spricht, waren auf ihrem Weg voller Klagen und Fragen. Als der auferstandene Jesus sich zu ihnen gesellt, schweigen Fragen und Klagen. Der Mensch versteht Gott nicht ganz – er versteht aber eines: Er muss sich Gott zuordnen. Diese Sicht geht in etwa auf die Philosophie der Stoiker zurück, mit der sich Schröder intensiv beschäftigt hatte: Das Schicksal, die Götter schlagen zu – der Mensch muss aushalten lernen, aller Kampf gegen das Schicksal ist zwecklos, raubt nur Kraft. Für Schröder wurde dann der liebende Gott derjenige, der den Menschen im Leiden stärkt – damit bekommt das Leiden einen Sinn, wenn der Mensch sich Gott unterordnet: „Nur deinen Frieden, lieber Herr, / begehren wir je mehr und mehr, / je mehr die Welt voll Streit.“ („Weihnacht“) „Lieber Herr“ – Jesus Christus hatte für Schröder eine große Bedeutung. Das Wort „Gott“ ist von Jesus Christus her zu definieren, nicht wie vielfach in unserer Zeit von einem nebulösen Gottesverständnis – das wir zum Beispiel auch bei Rilke finden.

Warum werden diese Gedichte kaum mehr rezipiert? Das hängt vermutlich damit zusammen, dass die Zeiten der massiven Nöte, die das Land kollektiv trifft, im Augenblick nicht mehr im Blick ist. Menschen leiden zwar noch massiv im privaten Bereich, versuchen aber andere Lösungen zu finden, als sie Schröder anbietet. Zudem ist auch theologisch bedeutsamer geworden: So sehr die Sicht der Stoiker den christlichen Glauben bestimmt hat, so sehr wurde diese Philosophie aber auch modifiziert: Jesus selbst hat sich gegen das gewendet, was Menschen leiden ließ. Aktiv. Er hat sich nicht zurückgezogen und gesagt: Das Leiden kommt von Gott – halte aus! Er hat es bekämpft. Mit Wort und Tat. Allerdings: Wie kann man mit Leiden umgehen, wenn man diesem wehrlos ausgeliefert ist? So wie Jesus kurz vor seinem Sterben. Für Schröder war es, wie Paul Gerhard, der Seuchen ausgeliefert war, der genannte Weg. Oder: Ist es nicht auch Tat, wenn man gegen die gefährliche Lüge mit deutlichen Worten angeht, wenn er im Jahr 1939 schreibt: „Welt mag baun an ihrem Turme; / tausend Jahr verwehn im Sturme“ („Traf´s? Der Blitz hat eingeschlagen?“) – das heißt der Lüge des Nationalsozialismus, dem babylonischen Turm, dem 1000jährigen Reich wird Gott entgegengesetzt. (Zur Frage der Schuld hat Schröder einen eindrücklichen Liederkreis „Der Mann und das Jahr“ 1945 gedichtet: Gesammelte Werke Bd. 1,1055-1068.)

Die Nachgeborenen verstehen kaum mehr die Bedeutung, die das für Christen hatte, dass da einer es wagte zu sagen, was sie denken. Nicht so sehr politisch. Anders als Reinhold Schneider findet die Politik der Zeit kaum Resonanz. Unablässig wird der einzelne Glaubende auf Gott hingewiesen. Er gehört Gott, nicht der Welt. Im Leiden findet er in Gott seinen Trost, nicht im Euphemismus der Welt. Nicht die nationalsozialistische Zukunftshuldigung der Rasse tröstet, auch nicht die rotgoldene Zukunft der Klasse – Gott ist es, in dem der einzelne Mensch verankert wird. Und wenn er Gott verlässt, sowohl als Einzelner als auch als Volk, so wählt er das Leiden. Auf Schröder ist zu achten, da er das nicht mitmacht, was auch unserer Zeit so bedeutsam ist: die Fokussierung auf die Ethik. Er legt Gewicht auf die Glaubensbasis. An Schröder wird deutlich, dass in dieser Zeit einfache Wahrheiten neu zur Sprache gebracht werden mussten und von einigen dankbar gehört wurden.

Was erwartet man von einem Menschen, einem Diener des Wortes Gottes, mehr, als dass er in seiner Zeit – und für manche darüber hinaus – das sagt, was Gott ihm zu sagen aufgetragen hat? Allerdings fällt es uns Nachgeborenen schwer, das zu ertragen. Auch wenn man weiß, dass einer der bedeutsamsten Theologen des 20. Jahrhunderts, Karl Barth, sinngemäß gesagt hat: Wenn es im Dorf gebrannt hat, möchte die Gemeinde in der Predigt nicht hören, dass es gebrannt hat. Sie möchte angesichts der Lebensnöte Glaubens-Hilfe bekommen. Auch wenn uns das schwer fällt zu verstehen, so sind wir nicht der Maßstab, an dem alles gemessen wird.

Die Gedichte wurden zitiert nach: Friedrich Samuel Rothenberg (Hg.): Lob aus der Tiefe. Junge geistliche Dichtung, Deuerlichsche Verlagsbuchhandlung Göttingen, 2. Auflage 1949, Otto Freiherr von Taube (Hg.): Licht der Welt. Eine Gedichtsammlung, Chr. Kaiser Verlag München 1946; Anna Paulsen (Hg.): Der Glaube kann nicht schweigen. Christliche Lyrik der Gegenwart, Heliand-Verlag Lüneburg 1948; Rudolf Wendtorf: Rudolf Alexander Schröder. Ein Dichter aus Vollmacht, Brunnen-Verlag Gießen 1965)

Es ist nun nicht so, dass die politische Lage überhaupt keine Wirkung auf den Dichter hatte. Wie oben schon gesehen: Einzelne Texte sind deutlich. „Die Ballade vom Wandersmann“ (1935) – es sei auch hier auf das Thema: auf dem Weg sein, wandern, Lebensweg hingewiesen – vereinigt unterschiedliche Texte, darunter „Gespenst und gar um Mitternacht“ in dem man als Zeitgenosse Anklänge an die grausame Zeit erkennen kann. Spannend ist allerdings, dass Zeitgenossen wie Lars Korten in dem Buch, das Eschenbach herausgegeben hat (s.u.), zeigt, die Bezüge nicht erkannten bzw. nicht erkennen wollten? An dieser Stelle müsste Rezeptionsgeschichte intensiv in den Blick genommen werden: Wer hat was wahrgenommen (was ansatzweise mit der Rezeption von Gedichten durch Soldaten in dem genannten Buch dargelegt wird). Anklänge finden wir ebenso in „Das Buch vom Wiederhall“ (1938). In diesem finden wir, was verboten war: zu klagen. „Die Klage“ beklagt Lug und Trug, verfehltes Lieben, verfehlte Treue, freches Prahlen… „Sieh all das Deine / Ins Elend wandern. / Ja, Deutschland, weine, / Ja, lacht, ihr andern.“ „Laßt fahren“ versucht den Glaubenden angesichts all der Not auf Gott hinzuweisen. In dem Gedichtkreis „Hier und Da (Herbst 1942)“ nimmt er deutlich Bezug: „Das Hier und Da, / Der bunte Schein, / Das laute Ja, / Das leise Nein, // Das überall / Dich lockt und trügt / Mit Freudenschall / Und Glück, das lügt…“ – all das treibt, weil man es Leid ist, zu Gott.

Dieser oben schon beobachtete Ansatz findet sich auch in den Gedichten wieder, die in „Gesammelte Werke“ (Bd. 1, Suhrkamp-Verlag 1952) zu finden sind. (Nicht alles wurde aufgenommen, weil Schröder nicht mehr dahinter stand, z.B. „Es war ein Herr von Bombardil“ [im Internet zu finden]) Besonders eindrücklich finde ich in dem Liederkreis „Hier und Da“ (1942) den Text 5: „Sieh deine Traurigen, o Herr, / Sieh deine Traurigen in Gnaden! / Sie gehn geschlagen und beladen, / Die Last wird täglich mehr und mehr. / Sie müssen so viel Herzleid sehn, / So viel, sie können´s nicht verstehn, / Ja, müssen dran vorübergehn. / Schlingt einen der verlorne Pfad, / Findt ihm der Nächste keinen Rat. / Wer stillt die Not, / Wer hemmt die Pein? / Ach Herr, ach Gott, / Sieh selber drein! // Dein Widersacher geht durchs Land, / Nicht mehr bei Nacht, am offnen Tage, / Und trägt als Kronen jede Plage, / Die du zur Höllenflur verbannt. / Wer stark ist, stellt dem Schwachen nach / Und weidet sich am letzten Ach / Des Bruders, dem er´s Herze brach. / Gericht, Gericht! Nun kam die Zeit: / Der Feind ist nah, und Gott ist weit. / Manch Zeichen lehrt / Uns, was geschieht. / Doch keiner hört, / Und keiner sieht.“ Das sind die ersten zwei Strophen in dem Text, in dem das Handeln des Satans – also der Nationalsozialisten – und die Ohnmacht vieler Menschen geschildert wird. Dazu muss man wissen, dass Schröder der ersten Frau von Rudolf Borchardt, die Jüdin war, der Malerin Karoline, Unterschlupf gewährte. Als das bekannt wurde, musste sie Juli 1942 zum Sammellager – und er begleitete sie mit dorthin, sie wurde dann ins KZ gebracht und – ich schreibe – ermordet (obgleich man nicht weiß, woran sie starb). Schröder wollte, dass die Kirchen Juden Asyl boten, was freilich nicht realisiert werden konnte. 1943 dichtete er zu „Weihnacht“ zwei Texte, die auch die Zeit im Blick haben: „Ist wieder Zeit, die Kerzen brennen: / Doch, Herr, dein Volk treibt´s wunderlich, / Will seine Stunde nicht erkennen / Und feiert Weihnacht ohne dich.“ Daran angeschlossen wird von Spöttern gesprochen, vom Versucher, von harter Bedrängnis, vom „Trümmerfall der Zeit“, „Und wird an uns der Mörder schuldig“.

Über das oben genannte hinaus werden in dem Sammelband Gedichte erkennbar, in denen die Natur ein Gleichnis ist, das tröstet. Aber nicht als Natur, sondern die Natur als Schöpfung Gottes bietet Trost und Kraft („Vorfrühling“; 1934). Natur als Natur bietet, wie an Loerke zu sehen, keine Hilfe, wenn Menschen wirklich in Not sind. Zumindest an Schröder ist zu erkennen: Natur als Gleichnis für das Handeln Gottes bzw. als Geschöpf Gottes hilft. Mit seinen Gedichten wollte Schröder trösten, Menschen helfen, Frieden zu finden.

Ergänzend sei noch mit Blick auf das oben genannte „Wandern“ angesichts anderer Gedichte aus den „Gesammelten Werken“ darauf hingewiesen, dass der Mensch auf seinem Lebensweg ist, ob mit, ob ohne Krieg. Auf diesem Lebensweg, wie auch immer er aussieht, muss der Mensch sich bewähren. Er muss sich bewähren in Leiden und Dunkelheiten, angesichts der Ungewissheit. Glaubende sehen ein Licht auf diesem Lebensweg, sie sehen den Stern, der mitgeht. Und das macht Schröder vielfach auch deutlich anhand biblischer Texte, so mit Blick auf die Weihnachtsgeschichte: Hirten leben in Dunkelheit – sie machen sich auf, den Retter zu sehen. Die drei Weisen machen sich auf, folgen dem Stern zur Krippe, in der der Weltenretter geboren liegt. Mit den Frauen machen Glaubende sich auf, um den gestorbenen Jesus die letzte Ehre zu erweisen – und finden den lebenden Jesus Christus. Das ist für uns sehr banal. Aber: Nicht die Rasse führt zur Rettung; nicht der Führer führt ins Licht; nicht der kreischende Lärm der Redner und der Bewunderer, sondern die ehrfurchtsvolle Stille an der Krippe des Jesuskindes ist wichtig; nicht das triumphale Machtgebaren vergänglicher kleiner Herrscher, sondern die Ohnmacht Gottes am Kreuz; es herrscht faschistische Dunkelheit, nur Gott bietet Licht. Auf diesem Weg der Dunkelheit zur Rettung, zum Licht, auch in der Nachfolge Jesu, gilt es, sich an dem Notwendigsten genügen zu lassen. In „Genug der Lehre“ heißt es: „Ich brauch nicht erst am Kreuz zu stehn, / Brauch nur im Weihnachtslicht / Die Krippe mit dem Kind zu sehn / Und bin schon im Gericht. // Und hab genug der Lehre schon, / Mich gründlich zu bescheiden, / Und aller Lande Lob und Lohn / Und Lug mir zu verleiden.“ Der Weg kann sehr hart sein – und es gilt auf diesem standzuhalten. Im „Wanderlied“ (1936) lautet die letzte Strophe: „Kommt, o kommt! Die Schatten steigen, / Und der Abend ist nicht weit. / Kühler wird´s; die Winde schweigen, / Bruder, nun ward Herbergszeit. / Noch ein Stieg durch finstre Schroffen; / Und das Perlentor steht offen. / Eh dein Glaube sich´s versah, / Sprach der Herr sein Hephata.“ (Hephata: Jesus sagt das zum Taubstummen: Öffne dich! und er ist geheilt [Markusevangelium 7].)

Er hat zu jedem Sonntag den Bibeltext in Gedichtform gebracht. Zu dem Wunder, in dem davon berichtet wird, dass Jesus das Mädchen auferweckt hat, beschreibt er erst den Text und bezieht ihn dann auf sich: „Ich selber lag im Todesschlaf, / Und wo mich nicht dein Rufen traf, / Ich wäre wahrlich nie genesen. / Du mußt es sein, der mich befreit. / Bös war und wenig meine Zeit: / Nun ist´s ein ewig Wesen.“ (Am 24. Sonntag nach Trinitatis) Und den Text am 10. Sonntag nach Trinitatis, in dem davon berichtet wird, dass Jesus über Jerusalem weint, schreibt Schröder: „Ach, leider hat auch unser Land / Dein Wort gehöhnt, dein Recht gemieden. / Du straftest hart, halt ein die Hand, / Wir flehn: Gib Frieden, Herr, gib Frieden.“ Die Missachtung des Rechts in nationalsozialistischer Zeit spielt auch in dem Liederkreis „Psalmen 8“ eine Rolle: „Dürft ich, Herr: o gib dem Knechte / Reines Herz und reinen Mund, / Und mein Wort macht deine Rechte / Und mein Lied dein Lieben kund!“ Nicht allein Liebe Gottes ist wichtig, so merkte man, sondern auch das Recht Gottes, das durch die Ideologie willkürlich gehandhabt, dadurch mit Füßen getreten wurde. Die Art, erst den Bibeltext zu bedichten, dann die Folgen daraus zu ziehen für die Gegenwart, lässt sich häufiger finden. So im Pfingstgedicht, in dem er Apostelgeschichte 2 wiedergibt, wird das Pfingstereignis beschrieben und das endet dann: „Hilf, Herr! Wir sind in arger Not, / Die Sinnen taub, die Herzen tot. / Gib Gnade, daß sich hier und heut / Dein Wunder unter uns erneut! // Sei nochmals mit uns, weck den Geist, / Der tröstet, mahnt und unterweist: / Sein Wort laß durch die Lande wehn, / Und schenk uns Ohren, die verstehn!“

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An Literatur liegt vor mir: Gunilla Eschenbach (Hg.): Rudolf Alexander im Dritten Reich, Wallstein Verlag 2015, Marbacher Schriften NF 12.

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Letztlich bin ich mit Rudolf Alexander Schröder noch nicht fertig.